Mittwoch, 29. Dezember 2010

Besuch vom Weihnachtsmann

Vor einigen Tagen kam der Weihnachtsmann hier vorbei und brachte vielerlei nette Geschenke: Bücher, Schokolade, DVDs, Ölfarben, Steine (lange Geschichte...) und so manches mehr. In 24 Stunden sauste er um die Welt und besuchte hunderte von Millionen Haushalte um dort sein gutes Werk zu verrichten, mit seinem fliegenden Schlitten durchbrach er lautlos eine Schallmauer nach der anderen so mühelos wie Jackie Chan Ziegelsteine; er verschaffte sich, ohne Fingerabdrücke zu hinterlassen, darum trägt er ja Handschuhe, Zugang zu unzähligen Wohnungen und ward nie dabei gesehen.
Und keine Erwachsener Mensch glaubt das!
Ich schließlich auch nicht, aber dennoch wundert es mich, dass die Existenz des Weihnachtsmannes nicht in großen Teilen der Bevölkerung Anklang findet. Schließlich glauben die Menschen eine Menge anderer Dinge auch, für die genau so viel oder so wenig spricht, wie für den Weihnachtsmann.
Mir kam der Gedanke bei einem vorweihnachtlichem Gespräch über traditionelle chinesische Medizin, insbesondere Akupunktur, und da speziell die sogenannten „Meridiane“. Wer auch immer die so nannte; normalerweise werden solche Dinge von ihrem Entdecker benannt, doch leider sind Meridiane noch immer nicht entdeckt, also muss es jemand anderes gewesen sein.
Der Vergleich zwischen Weihnachtsmann und Meridianen funktioniert auf vielen Ebenen, aber um mal die drei wichtigsten herauszugreifen:
- Beide entstammen der Überlieferung. Lang ist es her, dass sie als Begriff aufkamen, und weder die Erwachsenen, die an die Meridiane glauben, noch die (hoffentlich!) Kinder, die ihre Erwartungen an den Weihnachtsmann haben, verfügen über irgendwelche Vorstellungen, wie der Gedanke an das Objekt ihres Glaubens entstand. Alles nur Hörensagen, also etwas, das weder vor Gericht, noch in der Wissenschaft, noch im Gehirn eines rational denkenden Menschen als überzeugendes Argument gilt.
- Beide verlangen, dass man Dinge als selbstverständlich akzeptiert, die jeder Alltagserfahrung und jeder wissenschaftlichen Erkenntnis widersprechen. So wie der Weihnachtsmann geradezu über  göttliche Fähigkeiten verfügen muss, um derart heimlich und schnell sein Werk zu verrichten, so sollen Meridiane unsichtbar, unmessbar, unüberprüfbar und was weiß ich was für „un-s“ noch sein. Vor allem sollen sie sich der Wissenschaft entziehen. Wie der Weihnachtsmann. Eine oft gehörte Behauptung: „Das kann man nicht mit wissenschaftlichen Methoden feststellen!“...eine Begründung dafür habe ich aber nie gehört, außer: „Ich glaube daran, aber die Wissenschaft kann es nicht messen; also versagt die Wissenschaft.“
Und die Tatsache, dass ich Johannes Heesters nicht auf dem Rasen beim letzten Fußball-WM-Endspiel gesehen habe beweißt eindeutig: Johannes Heesters ist unsichtbar!
- Beide begründen einen zweifellos vorhandenen Effekt mit einer keineswegs nahe liegenden Ursache, ohne Alternativen auszuschließen. Mag sein, dass es vielen Menschen nach einer Akupunkturbehandlung besser geht. Aber erstens muss das nicht an der Akupunktur selber liegen; ganz abgesehen vom Placebo-Effekt kann es auch der natürliche Krankheitsverlauf sein (oft lässt man sich erst behandeln, wenn es einem besonders schlecht geht; und da Symptome auf und ab schwanken, wird es meist nach einer besonders harten Phase ohnehin besser); oder das Gefühl des fürsorglichen Umgangs während der Behandlung hebt die Stimmung so sehr, dass man die Symptome einfach nicht mehr als so lästig empfindet. Und selbst wenn die Akupunktur Auslöser der Wirkung wäre, so wäre damit noch längst nicht die Existenz dieser Meridiane bewiesen. Dazu müssten erst noch alle Erklärungen, die auf bekannten Tatsachen basieren, ausgeschlossen werden.
Der angebliche Effekt des Weinachtsmannes ist hinlänglich bekannt: Es liegen Geschenke unter dem Baum! Wo die wohl herkommen? Falls jemandem keine andere Erklärung einfällt, als dass ein alter, bärtiger, dicker Mann, der am Nordpol haust, diese heimlich vorbei brachte...dann kann derjenige von mir aus auch an Meridiane nichtgeographischer Art glauben. Aber auch nur dann.

Montag, 6. Dezember 2010

Weihnachtsstress

So ist es vor Weihnachten. Man hat viel zu viel zu tun. Arbeit besteht aus dem Üblichen plus Bergen von Überstunden, und dann eben das nahende Weihnachten! Geschenke besorgen und so. Ich komme zu nichts Doppelblindversuch-mäßigem mehr; es sammeln sich nur Ideen und Notizen an, die ich auf dem Weg zu und von der Arbeit im Notizbuch festhalte. Also, falls irgendjemand hier regelmäßig reinschaut: Nicht die Hoffnung aufgeben, dieser Blog bleibt aktiv, er ist nur im Urlaub. (Ist es eigentlich DER oder DAS Blog...? zu müde, es nachzuschlagen...)
Jedenfalls wünsche ich allen eine frohe Weihnachtszeit. Auch wenn ich, wie man sich denken kann, Atheist bin. Verschenken macht mir trotzdem Spaß, und jeder Anlass ist willkommen! Und jetzt bereite ich für die beste aller Mitbewohnerinnen noch schnell etwas zum Nikolaustag vor und gehe zu Bett.

Sonntag, 21. November 2010

Der Bauch denkt mit...?

Erstaunlich, was vielen Menschen ihr Bauch alles sagen kann! Durch eine merkwürdige Form des internen Ventriquolismuses ist der Bauch bei ihnen offenbar in der Lage, das Hirn zu überstimmen. Wie das geschieht ist mir völlig rätselhaft, ganz besonders da mir eine hochkomplexe Struktur aus 100 000 000 Nervenzellen besser zum Denken geeignet scheint als eine Reihe von Verdauungsorganen. Deren Aufgabe ist es ja eher, Input in Scheiße zu verwandeln, und da drängt sich der Verdacht auf, dass sie das auch tun, bevor sie eine Meinung kundtun.
Aber mal im Ernst: Der Konflikt zwischen Gefühl und Verstand ist etwas, das mich schon lange nervt, alleine schon deswegen, weil ich nicht glaube, dass er existiert. Zwar sagen oft Menschen, ihr Gefühl (oder „ihr Bauch“) würde ihnen etwas mitteilen...aber was meinen sie denn damit wirklich? Gefühle sind Liebe, Hass, Neid, Eifersucht, Gier, Zuneigung, Trauer, Freude, und so weiter. Die sagen mir nichts, die sind einfach da. (Und, nebenbei bemerkt, Folge meines Denkens, kommen direkt aus dem Hirn.)
„Gefühl“ hat zwei Bedeutungen, die man nicht verwechseln darf: Emotion und Inspiration. Wenn einem das Gefühl etwas sagt, dann ist es die Inspiration; nur allzu oft erlebte ich es schon, dass jemand mir gegenüber versuchte, seine Inspiration als Argument anzuführen; und wenn mein Verstand sich weigerte, dies anzuerkennen, gab es Kommentare, die meine emotionalen Kompetenzen anzweifelten. Als ob das eine etwas mit dem anderen zu tun hätte. Denn Inspiration kommt nicht aus der Emotion, sondern aus dem Verstand. Inspiration (es sei denn, man glaubt wirklich an Musen) muss als Ergebnis eines unterbewussten Denkens betrachtet werden, wobei das Gehirn dem Bewusstsein nicht einen Denkprozess, sondern nur dessen Ergebnis präsentiert. Und unter anderem deswegen taugt Inspiration nicht als Argument: wenn man nicht den Gedankengang, der zu diesem Ergebnis führte, aufzeigen kann, wie soll man da beurteilen, ob er korrekt ist?
Wobei ich nicht im Geringsten den Wert der Inspiration schmälern will; er liegt nur auf einem völlig anderem Gebiet als dem der Argumentation. Inspiration trug schon zu einer Unmenge richtiger und bedeutender Problemlösungen bei; aber nicht etwa, weil sie per se richtig liegt, sondern nur, weil sie das doch zumindest oft genug tut, um aus einer Vielzahl potentieller Lösungen mit ihrer Hilfe schnell auszusondieren, welche am vielversprechendsten sind; und diese dann in Erwägung zu ziehen und zu überprüfen. Der Mensch sammelt im Laufe seines Lebens mehr Erfahrungswerte, als ihm überhaupt bewusst ist, aber in Form von „Inspiration“ melden sie sich dann doch hin und wieder. Auf den richtigen Umgang mit ihnen kommt es an. Man kann ihnen einerseits blind vertrauen, oder sie einfach als Vorschlag betrachten, und diesen in näheren Augenschein nehmen.
Aber nicht so tun, als ob es etwas wäre, das man als Argument benutzen kann, denn das würde nichts anderes bedeuten, als von seinem Zuhörer dieses blinde Vertrauen zu verlangen. Und „Vertraue mir!“ ist nun wirklich kein Argument...

Donnerstag, 11. November 2010

Simon Singh

Ich will hier nur schnell eine Nachricht weitergeben, die ich eben über mein Lieblings-Blog Pharyngula erfuhr. Simon Singh, der bekannte Wissenschaftsautor, bittet um Unterschriften für eine Petition um ein sinnvolleres britisches Gesetz zur üblen Nachrede. Insbesondere nicht unwichtig, da das dortige Recht Klagen gegenüber jeden erlaubt, der im Internet schreibt, in welchem Land auch immer. Und da einer meiner ersten Einträge hier sich schon mit dem Thema beschäftigte, folge ich dem Wunsch gerne, ebenso wie dem, diesen Wunsch auch weiterzuverbreiten...

Sonntag, 7. November 2010

Denken und Werbefernsehen

Schade, dass so viele Leute beim Fernsehen wild durch die Gegend zappen oder den Ton abdrehen, sobald ein Werbeblock kommt. Schließlich glaubt ja keiner von denen, dass ihm durch einen Werbespot die Wahrheit verkündet wird, ganz im Gegenteil. Sie erwarten Lügen. Weil die Werbung sich nun aber an eine ganze Reihe von Vorschriften zu halten hat, was sie sagen darf und was nicht, versuchen Werbespotautoren ständig, Eindrücke zu erwecken, die aber nicht explizit angesprochen werden. Im Grunde die schönste Übung für das kritische Denken, zu analysieren, wo die Diskrepanz zwischen dem Angedeuteten und dem wirklich gesagten ist. Und das lässt man sich entgehen! Mir ging es jedenfalls in meiner Kindheit schon so, dass ich die TV- und sonstige Werbung als ein angenehmes und nützliches Trainingsfeld für meinen Geist sah; die meisten Menschen, die ich kenne, sehen sich kaum Fernsehwerbung an und sind stolz darauf; und nehmen sich dabei aber dennoch heraus, sie als saublöd und verlogen zu verurteilen. Das ist sie auch in meinen Augen, aber mal ehrlich: Etwas zu beurteilen, ohne sich ein Bild gemacht zu haben, ist in jedem Fall ein Vorurteil, auch wenn man zufällig richtig liegt.
Was nun die Übung für den Geist angeht, das erste, woran ich mich da erinnern kann, ist der Spruch von Milky Way: „So locker und leicht, schwimmt sogar in Milch“. Eine Menge Luftbläschen, die das Volumen erhöhen, und dafür zahlt man natürlich gerne. Und dann die Assoziation mit etwas gesundem, da es in Milch schwimmt, nicht etwa in Wasser.
Gerade vorhin kam ein Alpecin-Werbespot, den ich schon lange besonders albern finde. Ein Mann im weißen Kittel (deutet wissenschaftlich an!) zeigt auf einer Graphik, wie Alpecin die Wachstumsphasen des Haares verlängert; die Kurve wird dabei in die Breite gezogen, und die Wachstumsphasen, die aufgezeigt werden, tatsächlich länger. Aber eben leider auch die Phasen dazwischen, der Anteil dieser „Wachstumsphasen“ (sollte es solche tatsächlich geben) bleibt insgesamt gleich.
Großartig ist auch dieses Wasser, „Active O2“, mit dem „18-fachen Gehalt an Sauerstoff“. Den 18-fachen Gehalt wovon? Von normalem Wasser? Das ist nach wie vor H2O...per Definition, und das wird immer so bleiben. Wahrscheinlich meint da irgendwer, dass 18 mal so viel Sauerstoff darin gelöst ist, wie in irgendeiner Vergleichsflüssigkeit. Aber was soll es? Ich bevorzuge den Sauerstoff in meiner Lunge zu haben, nicht im Magen.
Leute, schaut Werbung. Ihr findet sie alle Scheiße, also besteht ja keine Gefahr, dass ihr deren Lügen glaubt, oder? Analysiert sie, merkt euch, mit welchen Tricks sie arbeitet. Verinnerlicht sie. Und dann fangt an, all die Aussagen, bei denen ihr nicht von Vorneherein davon ausgeht, dass sie Lug und Trug sind, daraufhin zu überprüfen, ob sie mit den gleichen Tricks arbeiten. Das geschieht öfter, als die meisten denken...

Samstag, 30. Oktober 2010

Denkfehler: Die Eulenspiegelei

Ich habe keine Ahnung, ob es eine offizielle Bezeichnung hierfür gibt; ich nenne es den Eulenspiegel-Fehler, weil es etwas mit dem übertrieben wörtlich Nehmen von Aussagen zu tun hat, was ja zu den Standart-Praktiken des alten Till zählte. Man legt Aussagen so eng wie möglich aus, weit enger, als sie jemals gemeint sein können.
Gehen wir von einer Situation aus, in der Regeln existieren. Regeln, wie Gesetze, sind im Allgemeinen so formuliert, dass sie auf eine Vielzahl von Einzelfällen anzuwenden sind, inklusive solcher, die noch nie eingetreten sind, oder die noch nicht einmal erahnt werden können. Das ist auch nötig, denn ansonsten würde die nötige Anzahl von Regeln ins Unermessliche und erstrecht ins völlig Unübersichtliche steigen. Was tut nun ein „Eulenspiegel“? Er kümmert sich nicht um die Regel an sich, kennt sie nicht, kapiert sie nicht oder akzeptiert sie nicht. Wird ihm in einem Einzelfall klar gemacht, was sie hier besagt (meist weil er gerade dagegen verstieß), so gibt er klein bei und schwört, sich nie wieder zu verhalten wie eben; nur um bei nächster Gelegenheit die Regel erneut zu missachten, da angeblich nicht klar war, dass sie auch in diesem, minimal anders gelagerten Fall gilt.
„Ja, Mami, Du hast gesagt, dass ich anderen Kindern nicht gegen das Schienbein treten soll. Hab ich auch nicht getan. Du hast mir nicht verboten, ihnen in die Eier zu treten...!“
Genau so infantil ist das. Was nicht heißt, dass man entsprechendes nicht auch von Erwachsenen zu hören bekommt...ich korrigiere: von Volljährigen. Wer so argumentiert, kann nach keiner sinnvollen Definition als erwachsen gelten, sei er 18, 21, oder 74 Jahre alt.
Und wer so etwas nicht nur sagt, sondern tatsächlich glaubt...da weiß ich nicht weiter. Gibt es so jemanden? Ich kann mir vorstellen, dass das Universum 13,7 Milliarden Jahre alt ist, dass sich die Kontinente unmerklich langsam verschieben, dass es die wahre Liebe gibt; aber so weit reicht meine Phantasie dann doch nicht. Ich denke vielmehr, dass dies auch wieder so ein reines Ausredeargument ist, das von denjenigen, die es verwenden, überhaupt nicht durchdacht wird. Man setzt sich über Regeln hinweg, weil man Lust dazu hat, nicht weil man etwas auf Lager hat, das einen ausreichenden Grund darstellt. Man kennt die Regel, missachtet sie bewusst, und wenn man erwischt wird, benötigt man eine Spitzfindigkeit, eine eigene Auslegung der Regel, die einem selbst das Gefühl gibt, im Recht zu sein, kein schlechtes Gewissen haben zu müssen.
Der Mensch an sich ist nicht gut. Nicht von Natur aus. Warum sollte er auch? Die Natur kennt kein Gut und Böse, nur Erfolg und Misserfolg. Und zum Erfolg zählt ein positives Selbstbild, es bewahrt vor psychischen Belastungen und sorgt für sichereres Auftreten. Es ist nützlich, sich selbst als „einen von den Guten“ zu sehen; und um in den Genuss dieser Einstellung zu kommen, gehen manche den direkten Weg und verhalten sich gut, werden gut. Anderen reicht es aus, so lange an dem Begriff „gut“ herumzudefinieren, bis er maßgeschneidert auf sie zutrifft...zumindest in ihren eigenen Augen. Und dafür sind diese Eulenspiegeleien Mittel zum Zweck: Ich bin gut, weil ich mich an die Regeln halte. An meine Auslegung der Regeln.
All das kann ich nicht belegen; aber mir gibt zu denken, dass ich in meinem Leben schon einer ganzen Reihe von Menschen mit ausgeprägten soziopathischen Zügen begegnet bin (im Volksmund „Arschlöcher“ genannt), aber unter ihnen nie auf einen stieß, der auf mich auch nur annähernd den Eindruck machte, er würde sich nicht für einen von den „Guten“ halten.
Ein ernüchternder Gedanke: Wenn man es nicht merkt, dass man zu diesen Menschen gehört, wie kann sich jemand sicher sein, es nicht zu tun?
Durch Logik: Ich muss nur kühl, sachlich und rational betrachten, was ich tue und wie es zu werten ist. Vor allem eben unabhängig davon, dass ich es bin, der bewertet wird. Ich muss Gedanken, Schlüssen und Zusammenhängen dorthin folgen, wo sie mich hinführen, ohne eine feste Vorstellung, wie das Ergebnis auszusehen hat. Ohne mir vorher ein Ergebnis auszumalen und nur die gedanklichen Schritte zuzulassen, die in diese Richtung gehen.
Ich sagte eben „nur...“; damit wollte ich sagen, es ist nicht schwer, einzusehen, welchen Weg man beschreiten sollte. Ihn zu gehen ist ein ganz schön hartes Stück Arbeit. Und um dem ganzen die Krone aufzusetzen, dauert es auch noch ziemlich lang. Ein paar Jahre, ein Leben lang, manchmal reicht auch das nicht aus. Es gibt keine Garantie, ans Ziel zu kommen. Gute Reise!

Sonntag, 17. Oktober 2010

Denkfehler: ad ignorantiam

Sollte es jemals so etwas wie eine top ten der Trugschlüsse geben, ad ignorantiam wäre bestimmt enthalten. Dieser Fehler ist so unglaublich beliebt und auf eine gewisse Weise sogar effizient. Vielleicht, weil er so dämlich und leicht zu durchschauen ist...dass man ihn nicht durchschaut! Kein vernünftiger Mensch käme überhaupt auf die Idee, so zu denken; und wenn er dann mit einer Aussage konfrontiert ist, die darauf beruht, kann es sein, dass er den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht und darauf reinfällt. 10 Minuten später, oder am nächsten Tag, kommt es dann plötzlich hoch: „Da wurde mir doch ein völliger Quatsch erzählt!“
Und dann ist es leider meist auch schon zu spät.
Dieser Denkfehler hat folgende, recht simple, Struktur:
„Ich weiß nicht, dass X nicht Fakt ist; also ist X Fakt.“
Eine Umwandlung von Nichtwissen in Wissen! Eher kann ein Alchemist Blei in Gold verwandeln oder die Wildecker Herzbuben in anorektische Rockmusiker. Dabei ist der Fehler leicht nachzuweisen. Ein Schluss kann in seiner Struktur nur dann korrekt sein, wenn diese Struktur in jedem Fall gültig ist. Sobald man damit widersprüchliche Aussagen konstruieren kann, stimmt etwas nicht. Für oben genanntes „X“ lässt sich genau so gut sagen:
„Ich weiß nicht, dass X Fakt ist, also ist X nicht Fakt.“
Einmal abgesehen davon, dass diese Fehlargumentation sich so großartig zum Bluffen eignet, ist sie wohl auch noch aus einem anderen Grund so beliebt und wird oft angewendet: Es liegt in ihrer Natur, dass sie auf nichts beruht. Daher gibt es keinerlei Bedingungen, die eine Fragestellung erfüllen muss, damit dieses Pseudoargument einsatzfähig wäre; es ist so eine Art schweizer Offiziers-Taschenmesser der Trugschlüsse. Und es gibt auch viele mögliche Motivationen, zu diesem Mittel zu greifen, wobei die Hauptkategorien davon meiner Ansicht nach die folgenden sind:
  • Jemand WILL etwas glauben; es ist ihm nicht wirklich wichtig, ob es wahr ist oder nicht, er benötigt diesen Glauben, um mit seinem Leben oder mit seinem Selbstbild zurechtzukommen. Alleine schon die Möglichkeit, damit das eigene Gewissen zu beruhigen, ist schon verführerisch.
  • Auch wenn jemand nicht selber ernsthaft daran glaubt, dies wäre ein ernstzunehmendes Argument, so mag er doch geneigt sein, es als Ausrede gegenüber anderen einzusetzen. Es ist ja schließlich so universell einsetzbar, immer zur Hand, auf jede Situation übertragbar und benötigt noch nicht einmal ernsthaftes Überlegen, wie man es nun in einem speziellen Fall formulieren muss. Sehr oft habe ich den Eindruck, dass ad ignorantiam geradezu reflexartig von sich gegeben wird (und dummerweise trägt das auch noch sehr dazu bei, dass man damit durchkommt; es findet dann gar kein bewusstes Lügen statt, welches durch dazugehörige nonverbale Signale den Verdacht des Zuhörers wecken könnte).
  • Und, wie jeder andere Trugschluss, so kann auch ad ignorantiam zur bewussten Manipulation eingesetzt werden: Man gibt ihn von sich, ohne im geringsten selber an die Gültigkeit zu glauben. Besonders effizient, wenn der Gedanke nicht für sich alleine steht, sondern genügend Ablenkung von der Schwäche des Arguments vorhanden ist. Am besten, indem man gleich nach der so erfolgten Behauptung so schnell darauf aufbaut, dass der durchschnittliche Zuhörer gar keine Zeit bekommt, darüber nachzudenken. Er muss einer Weiterführung, die inhaltlich völlig korrekt sein kann, folgen, und er bemerkt gar nicht, dass alles auf einer Prämisse basiert, die aber falsch ist. Ganz plötzlich ist er im obersten Stock eines Gedankengebäudes, dem das Erdgeschoss fehlt...
Und ich frage mich, wann ich es endlich selbst fertig bringe, sobald ich ein Reflex-ad ignorantiam höre ebenso reflexartig „Bullshit!“ zu denken und zu sagen...

Samstag, 16. Oktober 2010

Update: Nichts Neues

Nur um mal in Erinnerung zu rufen, was vor Monaten geschah: Ich schrieb einige Mails mit etwas kritischen Fragen an Personen aus dem Kreis der Esoterik-Branche. Hier und hier. Nachdem ich auf der Lebensfreude-Messe sogar mit einem Vertreter einer solchen Firma diesbezüglich sprach, bekam ich eine Mail, die eine ausführliche Antwort in einigen Tagen ankündigte. Kam noch immer nichts. Ich denke, es ist an der Zeit es als gegeben zu betrachten, dass keine Antworten auf diese Fragen existieren. Und dass die betreffenden Personen sich dessen wohl bewusst sein müssen.

Sonntag, 10. Oktober 2010

Die Atheisten, der Papst und die Nazis

„Wir können uns daran erinnern, dass sogar zu unseren Lebzeiten Großbritannien und seine Führer gegen eine Nazi-Tyrannei  standen, die Gott aus der Gesellschaft ausmerzen wollte und unsere gemeinsame Menschenwürde vielen, vor allem den Juden, die man für nicht lebenswert hielt,  strittig machte. Ich erinnere mich auch an die Einstellung des Regimes gegenüber christlichen Pfarrern und religiösen Menschen, die in Liebe die Wahrheit verkündeten, den Nazis Widerstand leisteten und dies mit ihrem Leben bezahlten. Während wir die ernüchternden Lektionen, die uns der extreme Atheismus des 20. Jahrhunderts lehrt betrachten, lasst uns nicht vergessen, wie der Ausschluss von Gott, Religion und Moral aus dem öffentlichen Leben letztlich zu einem beschnittenen Menschenbild führt und damit zu einer reduzierenden Sicht auf die Person und ihr Schicksal.“
(Papst Benedikt XVI in England)

Neulich, an einem gemütlichen Abend auf unserer Analytikercouch, fragte mich die beste aller Mitbewohnerinnen, ob ich vom Besuch des Papstes in England gehört hätte. Ich hatte, und so erzählte ich ihr, dass sich Papa Ratzi mal wieder dahingehend äußerte, dass die Gottlosigkeit Schuld an all dem Unheil und Unrecht auf der Welt wäre, wie zum Beispiel am Nationalsozialismus. Dass dieser eine Folge des Atheismus wäre, und damit der Atheismus zumindest eine Voraussetzung für die nationalsozialistischen Untaten wäre.
Da ich ein großer Nuschler vor dem nichtexistierenden Herrn bin, kamen meine Worte wohl nicht ganz so deutlich rüber; denn die baM fragte gleich: „Meinst Du, dass der Papst...ein Nazi ist?“
So ganz absurd fühlte sich der Gedanke ja nicht an, betrachten wir die Frage doch mal näher.
Zunächst: Was ist Nationalsozialismus genau? Gibt es eine Definition, die vollständig ist? Ich denke nicht, denn glücklicherweise ist es eine doch eher seltene Angelegenheit, zumindest als dominante und regierende politische Bewegung. Es gibt zu wenige Einzelfälle, um eine Strenge Definition aufzubauen. Wer kann schon genau sagen, welche Elemente auf jeden Fall enthalten sein müssen, damit etwas als Nationalsozialismus gilt?
Ich benutze hier also ganz pragmatisch meine Vorstellungen, was dazugehört; und versuche, mich dabei allerdings auf solche Umstände zu beschränken, von denen ich glaube, dass mir eine überwiegende Mehrheit zustimmen wird.
Der Nationalsozialismus hat eine starre Hierarchie, mit einem charismatischen Führer an oberster Position, der seine Legitimation von einer imaginären höheren Gewalt bezieht (etwa der Vorsehung). Diese höhere Gewalt wird herangezogen, um Vorhersagungen über die Zukunft zu treffen. Um den Führer und um Gefolgsleute, die sich um die Bewegung verdient gemacht haben, wird ein enormer Personenkult betrieben. Ganz besonders, wenn diese im Dienste der Sache ihr Leben gaben.
Ein Buch, das offenbar nur von den fanatischten Anhängern je wirklich komplett gelesen wird, spielt eine große Propagandarolle; und uniformierte Anhänger führen Propagandaveranstaltungen mit viel feierlichen Brimborium durch, ohne dass vernünftige Argumente geboten werden. Stattdessen wird ein System nicht zu hinterfragender Dogmen hochgehalten.
Die Anhängerschaft ist groß, jedoch nicht besonders treu; sie neigt zum Mitläufertum, und ist nur so lange überzeugt, wie es ihr keine Nachteile einbringt.
Erzkonservative Werte werden hochgehalten; die Rolle der Frau ist weitgehend mit ihrer Mutterfunktion ausgefüllt, und Kinder zu bekommen ist notwendig, die Basis der Bewegung wird vergrößert. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Frauen in der nationalsozialistischen Hierarchie nur rangniedere Positionen einnehmen können. Und die Kinder müssen so früh wie möglich indoktriniert werden, teils durch speziell dafür gegründete Organisationen, teils durch rege Einflussnahme auf den Schulunterricht.
Letzteres geht Hand in Hand mit einer konsequenten Wissenschaftsfeindlichkeit. Wissenschaft ist auch deswegen ein Gegner, weil sie grundsätzlich Dogmen nicht zulässt. Stattdessen erfindet man Pseudowissenschaften, die mit vorgegebenem Ergebnis versuchen, die Dogmen zu stützen.
Ganze Bevölkerungsgruppen, die man klar definieren kann, werden zum Feind erklärt, dem man jede Schuld in die Schuhe schieben kann. Gerne werden Abweichungen von der statistischen Norm wie Homosexualität als widernatürlich erklärt, und damit für verdammenswert.
Der Nationalsozialismus ist Imperial, er versucht, sein Einflussgebiet immer auszudehnen. Wobei der Zweck die Mittel heiligt; jeder, der Zweifel äußert, als Gegner gilt, und in der nationalsozialistischen Weltanschauung der Mensch seine wahre Erfüllung nur als Mitglied der Bewegung finden kann.
Anders gesagt: Der Nationalsozialismus ist so ziemlich das genaue Gegenteil der atheistischen Bewegung. Diese ist ein desorganisierter Haufen ohne oberste Autorität, wissenschaftsfreundlich, Dogmen und höhere Mächte ablehnend, überdurchschnittlich feministisch und Homosexualität akzeptierend. Kinderindoktrination ablehnend, eher darauf vertrauend, dass eine gute Bildung einem Kind ermöglicht, sein eigenes Weltbild zu schaffen. Und so weiter und so fort...
Aber all die Eigenschaften, die ich hier beim Nationalsozialismus gefunden habe, finden sich auch in der katholischen Kirche.
Der unfehlbare Führer im Sinne der höheren Macht ist der Papst selber, die uniformierte Truppe der Klerus, der Frauen den Beitritt verweigert; die Verehrung der gefallenen Mitstreiter geschieht durch Selig- und Heiligsprechung, Homosexualität wird zur Sünde erklärt, die Wissenschaft seit Jahrhunderten nach dogmatischen Maßstäben kritisiert; Indoktrination von Kindern setzt geradezu unglaublich früh ein, sie werden getauft ob sie wollen oder nicht und damit in die Organisation aufgenommen, an der Schule gibt es katholischen Religionsunterricht, und die Menschen halten das für völlig normal. Das Grundlagenbuch, die Bibel, wird fast nur von den fanatischten Anhängern je komplett gelesen, die anderen kennen nur die vom Klerus sorgfältig ausgewählten Abschnitte. (Statistisch gesehen haben Atheisten bessere Bibelkenntnisse als katholische Laien; oft wurden sie dadurch zum Atheisten.) Die Lehre wird hochgehalten, aber voller Überzeugung nur dann verbreitet, solange man nichts riskiert: Wer liebt schon seine Feinde, hält die andere Wange hin, verschenkt all sein Hab und Gut an die Armen? Der Papst, der in einem geradezu obszönen Luxus lebt, bestimmt nicht. Und so weiter...
Also, wie ist es nun: Ist der Papst ein Nazi?
Nein, ich denke nicht daran, mich auf das Niveau des Papstes herabzubegeben und meine Gegner mit Nazis gleichzusetzen. So viele Parallelen es auch geben mag, ich kann nicht in der katholischen Kirche eine so offene Menschenverachtung finden, wie bei den Nazis. Wenn schon nichts anderes, so arbeitet die Kirche subtiler. Die Kreuzzüge sind lange her, heutzutage ist die beliebteste katholische Methode, möglichst viele Menschen ums Leben zu bringen, ihr Verbot von Kondomen, inklusive der Verbreitung der Fehlinformationen, dass diese nicht vor Aids schützen oder sogar diese Krankheit erst verursachen.
Was ich aber durch längeres Überdenken dieser Frage wohl eindeutig sagen kann ist: Voltaire stellte fest, solange Menschen an Absurditäten glauben, werden sie auch Greueltaten begehen. Ob die Absurdität nun darin besteht, zu glauben es gäbe so etwas wie eine germanische und eine jüdische Rasse oder es gäbe einen Schöpfer des Himmels und der Erde, das ist völlig egal. Absurde Dogmen verbunden mit rigidem Machtapparat ergeben eine großartige Rezeptur für Unterdrückung, Menschenverachtung und Bigotterie. Wenn Voltaire Recht hat, dann kann man dem Atheismus an sich keine Schuld für derlei Dinge geben, seine Anhänger definieren sich ja nur dadurch, dass sie eine bestimmte Absurdität ablehnen. Was nicht heißt, dass ein Atheist ein Unschuldsknabe sein muss, denn es gibt noch genug andere Absurditäten, an die man Glauben kann, außer Gott. Und wenn ein Atheist auf einem anderen Gebiet zum Menschenverachtenden Dogmatiker wird, dann hat das mit seinem Atheismus soviel zu tun, wie die Taten Hitlers, Stalins und Lenins damit, dass sie Bartträger waren.
Mir scheint es, als ob der Papst versucht, Atheisten dafür zu verurteilen, dass sie potentielle Nazis sind. Und abgesehen davon, dass es mir grundsätzlich nicht gerechtfertigt scheint, jemanden für eine Möglichkeit zu verurteilen, ja selbst für einen Vorsatz, solange dieser nicht in die Tat umgesetzt wurde, sehe ich wirklich keinen Grund, warum Atheisten mehr zum Nazitum neigen sollten als Katholiken oder Meerschweinchenzüchter. Vermutlich eher weniger, da sie dem blinden Gehorsam gegenüber skeptischer eingestellt sein dürften. Was genau die Eigenschaft ist, die von der Kirche nicht gerade gefördert wird, wenn sie verlangt, ziemlich abstruse (und faktisch widerlegte) Geschichten aus der Bibel als Tatsachenbericht anzuerkennen. Auf alle Fälle unterlässt es der Papst bei seiner Behauptung, sie zu begründen, was in Anbetracht derer Tragweite schon mal verdächtig manipulativ wirkt. (Im Übrigen hat die Kirche kein Problem damit, Verurteilungen aufgrund eines Potentials zu einer Tat zu treffen: Ein Dogma des katholischen Glaubens, die Erbsünde, läuft auf nichts anderes hinaus.)
Manchmal frage ich mich, ob der Klerus wirklich noch Bestandteil einer Religion ist, oder zu nichts anderem verkam, als einer gigantischen Public Relations-Maschinerie im eigenen Auftrag. Das würde zumindest erklären, warum er nichts besseres zu tun hat, als ständig allen anderen Schuld zuzuweisen und die eigene Schuld unter den Teppich zu kehren.
Was der Papst hier von sich gibt, ist nichts anderes als der „Wahre Schotte-Trugschluss“ :
„Kein Schotte gibt Zucker in seinen Haferbrei.“
„Aber mein Onkel Angus ist Schotte, und er gibt Zucker in seinen Haferbrei.“
„Ja, aber dein Onkel Angus ist kein wahrer Schotte.“
Er hält die Katholiken hoch, indem er jeden, der nicht seiner Wunschvorstellung entspricht, zum nicht wahren Katholiken erklärt. Und der Katholik Adolf („Ich glaube heute, dass ich im Sinne des allmächtigen Schöpfers wirke.“) Hitler bekommt die Rolle eines Atheisten verpasst. Was ist das für eine Art, den Begriff „katholisch“ zu definieren? Vor allem, wer sind denn die „wahren Katholiken“? Gibt es einen einzigen, den der Papst als solchen anerkennen würde, und dazu stünde, dass alles, was dieser in Zukunft täte, er als Katholik vollbrächte? Wenn nicht, dann ist der Begriff bedeutungslos, aber Bedeutungslosigkeit stellte für den Klerus noch nie ein Hindernis dar, also darf es mich nicht wundern. Vielleicht sollte man auch eine andere Frage über den Papst mal ernsthaft erläutern, die seit Jahrzehnten und einigen Päpsten als Scherz kursiert: Ist der Papst katholisch? Nach meiner Definition schon, aber ich glaube wirklich, dass er sich nach seinen eigenen Kriterien selber aussiebt.
Wenn also der Papst solche Reden schwingt, wie wir sie in letzter Zeit wieder von ihm zu hören bekamen, dann ist er entweder unehrlich oder sehr unbedacht. In beiden Fällen jemand, der es nicht verdient, ernst genommen zu werden, der Splitter im Auge der anderen, nicht den Balken im eigenen sieht. Und ich hoffe, dass die Welt eines Tages einsieht, wie demagogisch, unreflektiert und albern er und seine Mitstreiter sich aufführen, und wie viel besser es doch wäre, wenn man Menschen mit seit 2000 Jahren überlieferten Wahnvorstellungen genau so behandeln würde wie diejenigen, deren Wahn keinen historischen Hintergrund hat. Unsinn wird nicht zur Weisheit, indem er Jahrtausende reift.

Mittwoch, 6. Oktober 2010

Bruno Gröning: Noch etwas zu "post hoc ergo propter hoc"

Wie als Antwort auf meinen letzten Artikel flatterte mir ein Prospekt ins Haus, „Hilfe und Heilung auf geistigem Weg durch die Lehre Bruno Grönings“. Wieder so ein Wunderheiler!
Normalerweise lese ich mir solche Sachen durch, bis zu der ersten Stelle, an der es blödsinnig wird. Das geschah gleich unter der Überschrift: „-medizinisch beweisbar-“. Klingt harmlos, aber...wenn etwas medizinisch beweisbar wäre, könnte man das nicht nur dann wissen, wenn es  medizinisch bewiesen wäre, und sollte man dann nicht lieber das hinschreiben? Und, technisch gesehen, die Medizin ist eine Naturwissenschaft. Naturwissenschaften beschäftigen sich nicht mit Beweisen, das ist das Gebiet der Logik und der Mathematik. Die Naturwissenschaften sorgen für Belege. Großer Unterschied! Belege erhöhen nur die Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit einer Aussage, schaffen aber nie hundertprozentige Sicherheit. Davon lebt die Naturwissenschaft, dass bessere, genauere Belege die bisherigen Ansichten korrigieren. Vieles kann man sich zu 99,9999999999% sicher sein, aber da muss schon ein Mathematiker mit einem Beweis kommen, um auf 100% zu kommen. (Ich empfehle jedem, sich mal Euklids Beweis dafür, dass es unendlich viele Primzahlen gibt, anzusehen. Abgesehen vom Anblick eines geliebten Menschen kann ich mir nicht viel Schöneres vorstellen.)
Folglich kommen auch keine Beweise in diesem Heftchen. Aber „Eine Vielzahl ärztlich dokumentierter Erfolgsberichte belegt die aktuelle Wirksamkeit seiner Lehre.“ Es werden „Erfolgsberichte auf der Basis von wissenschaftlichen Untersuchungsbefunden (...) dokumentiert“. Ja und? Ich picke mir die Rosinen aus dem Kuchen und behaupte, der Kuchen besteht nur aus Rosinen.
Alles, aber auch alles scheint mit einer Wirkung verknüpfbar zu sein, wenn ich nur die Fälle betrachte, in der das fragliche Element und die besagte Wirkung auftritt. Was zählt ist, ob und wie viele Fälle es gibt, in denen bei gleicher Voraussetzung die Wirkung nicht eintrat, beziehungsweise die Wirkung ohne die Voraussetzung eintrat. „auf der Basis von wissenschaftlichen Untersuchungsbefunden“ heißt auch noch lange nicht das gleiche wie „wissenschaftlich“. Jedenfalls scheint mir diese Broschüre ein sehr schönes Beispiel dafür, wie man immer und immer wieder versucht, vorzutäuschen, man könnte etwas wissenschaftlich belegen, indem man mit einem Zerrbild von Wissenschaft arbeitet, auf das viele abfahren, weil sie keine Vorstellung haben, was „Wissenschaft“ wirklich bedeutet.

Sonntag, 3. Oktober 2010

Denkfehler: post hoc ergo propter hoc (danach, also deswegen)

Schon als Kind las ich in einem Donald Duck-Comic, Erika Fuchs sei Dank, etwa folgenden Satz: „Eine unbehandelte Grippe dauert 14 Tage, behandelt kann sie schon in zwei Wochen auskuriert werden.“
Stellen wir uns vor, vier Menschen haben eine stinknormale Allerweltserkältung.
Einer tut nichts dagegen, bald ist er wieder gesund.
Einer legt sich ins Bett, trinkt heiße Zitrone, inhaliert. Bald ist er wieder gesund.
Einer nimmt ein homöopathisches Präparat und benutzt Heilsteine. Bald ist er wieder gesund.
Einer opfert Cthulhu eine Jungfrau, Bald ist er wieder gesund.
Was werden sich die vier danach wohl denken? Der erste, er wurde gesund, obwohl er nichts tat. Die drei anderen: Sie wurden gesund durch das, was sie taten. Doch dieser Schluss ist nicht gerechtfertigt. Zwar ist es möglich, dass ihr Verhalten zu ihrer Genesung beitrug, aber noch lange nicht belegt und schon gar nicht bewiesen. Oder denkt derjenige, der homöopathische Präparate nahm, etwa, dass Cthulhu bei Erkältungen hilft? Wohl eher nicht, dabei hätte er dazu exakt den gleichen Grund, wie er ihm für seinen Glauben an die Macht der Homöopathie zur Verfügung steht. So gesehen dürfte er dann auch nicht an die Homöopathie glauben.
Eine Wirkung, die nach einer möglichen Ursache auftritt, ist noch lange nicht eine Wirkung dieser Ursache. Um das zu überprüfen ist es vielmehr wichtig zu sehen, ob die Wirkung ausbleibt, wenn man die vermutete Ursache eliminiert. Falls ja, so muss es eine andere Ursache geben.
Aber selbst das reicht keineswegs immer; ich denke da an so schöne Statistiken wie diejenige, dass Kinder mit größeren Füßen besser rechnen können. Es stimmt, betrachtet man Kinder, die kleinere Füße haben, so rechnen sie im Schnitt wirklich nicht so gut. Größere Füße und höhere Rechenfähigkeit sind bei Kindern eindeutig verknüpft. Aber können Kinder besser rechnen, weil sie größere Füße haben? Da könnte man ebenso vermuten, dass die Rechenfähigkeit die Füße wachsen lässt. Beides klingt wenig glaubwürdig. Niemand würde mir eine der beiden Hypothesen abnehmen, weil er nicht sähe, wie eine solche Wirkung zustande kommen sollte.
Um einen Bezug zwischen Ursache und Wirkung herzustellen benötigt man idealerweise auch einen Mechanismus, der ihn erklärt. Viele Beispiele, dass ein Effekt eintritt, besagen nichts. Zusätzlich der Beleg, dass der Effekt ohne die angenommene Bedingung nicht eintritt, das ist schon viel besser. Aber oft bleibt offen, was von beiden Ursache bzw. Wirkung ist, oder auch ob beides Auswirkungen einer gemeinsamen Ursache sind. So wie das Alter von Kindern sich sowohl in ihrer Schuhgröße als auch in ihren mathematischen Fähigkeiten bemerkbar macht.
Kommen wir noch mal auf unsren erkälteten Homöopathiegläubigen zurück, einfach weil Homöopathie so weit verbreitet, so anerkannt bei vielen medizinischen Laien und so besonders idiotisch ist. Dieser Mensch sieht seine Heilung als Folge der Einnahme eines homöopathischen Präparates; und er weiß, dass Tausende und Abertausende Menschen dies ähnlich erlebten und interpretierten. Wie gesagt, das belegt noch gar nichts. Er fragt sich nicht: „Woher weiß ich, was passiert wäre, hätte ich die Behandlung unterlassen?“
Immer, wenn diese Frage ernsthaft untersucht wurde, zeigte es sich, dass Homöopathie keinen Einfluss auf Krankheitsverläufe hat. Da Homöopathen und ihre Kundschaft aber an eine Wirkung glauben wollen, versuchen sie, einen Mechanismus als Beleg anzuführen. Das heißt, sie versuchen zu erklären, wie etwas geschieht, ohne zeigen zu können, dass es geschieht. Als ob man sich mit der Frage auseinandersetzt, wie es der Osterhase fertig bringt, ohne Daumen all die Eier anzumalen; und dann, wenn man eine Erklärung gefunden hat, zu glauben, sie beweise die Existenz des Osterhasen.

Sonntag, 26. September 2010

Denkfehler: Ad verecundiam

Manchmal gehen einem die Argumente aus. Aber kann es nicht sein, dass es noch welche gibt, die einem nur gerade nicht einfallen wollen? Was bleibt zu tun?
Wie kann man seinen Gegner überzeugen, dass weitere Argumente existieren, ohne in der Lage zu sein, solche anzuführen?
Eine leicht gelöste Aufgabe, solange diesem Gegner der Trugschluss im ad verecundiam-Argument nicht bewusst ist. Man muss nur einen Experten zitieren, der die eigene Meinung vertritt. Schließlich kennt der sich aus, weiß viel mehr als man selbst zum Thema...und außerdem ist er in der Regel auch nicht zur Hand, um zu widersprechen. Und man kann auf diese Weise auch noch aufs angenehmste sein Gegenüber für eingebildet erklären, vertritt er doch voller Inbrunst eine gegenteilige Meinung als der Experte!
Es spricht prinzipiell nichts dagegen Expertenmeinungen im Streitgespräch anzuführen. Aber dazu müssen einige Bedingungen erfüllt sein:
  • man muss ihn richtig zitieren; nichts darf aus dem Kontext gerissen werden, denn das verfälscht die Aussage
  • nur solche Aussagen sind zulässig, die der Experte in seiner Expertenfunktion auf seinem Sachgebiet trifft: so hat zum Beispiel ein Politiker nicht unbedingt die Kompetenz, sich inhaltlich korrekt über Gentechnologie zu äußern, selbst wenn er es auf seinem Gebiet bis zum Staatsoberhaupt geschafft hat
  • er sollte als Experte allgemein anerkannt sein; sonst verschiebt sich die ursprüngliche Fragestellung nur darauf, ob er ein Experte ist, statt zu einer Antwort zu führen
  • da selbst Fachleute sich in vielen Fragen uneins sind, muss man gegebenenfalls auch erwähnen, dass es in den Expertenreihen unterschiedliche Meinungen gibt, alles andere wäre schlichtweg unehrlich
  • die zitierte Expertenmeinung darf nicht allzu alt sein. Was nun „zu alt“ bedeutet, schwankt von Sachgebiet zu Sachgebiet und von Thema zu Thema; da aber auf fast jedem Gebiet im Lauf der Zeit neue Erkenntnisse gewonnen werden, die die alten ersetzen, ergänzen oder korrigieren, gibt es wenig Sinn, jemanden als Beleg anzuführen, der weit weniger Information zur Verfügung hatte, sich seine Meinung zu bilden, als ein moderner Gegenpart. Man kann schlecht auf die Viersäftelehre pochen und das mit Hippokrateszitaten untermauern
  • last not least: Selbst im günstigsten Fall sagt die Meinung eines Experten nichts aus, wenn das Sachgebiet selbst, für das er als Fachmann gilt, nicht legitim ist. Ebenso wie der Experte allgemein anerkannt sein muss, muss es auch das Sachgebiet sein. Vor allem muss es überhaupt existieren. Ein Wünschelrutengänger kann unter seinesgleichen noch so einen guten Ruf haben, ein Hellseher noch so anerkannt sein, ein Homöopath noch so berühmt und geschätzt...sie alle bleiben bisher den Beweis schuldig, dass die Dinge, die sie in ihren Aussagen interpretieren, überhaupt real sind
Ein weiterer Einwand ist eher ästhetischer Natur: Ein solches Argument ist nie besonders elegant oder lehrreich. Es mag praktisch sein, um eine Entscheidung zu treffen, mehr aber nicht. Denn streng genommen, wenn man unzweifelhaft sicher sein kann, dass jemand wirklich ein Experte auf einem bestimmten Gebiet ist, dann muss man selbst einer sein und hat es nicht nötig, andere zu zitieren. Man hat die gleichen Argumente auf Lager, die den genannten Experten zu seiner Meinung führten. Und die zu nennen, wäre weit eleganterKurzum, wenn nicht eine Menge Regeln eingehalten werden, so handelt es sich um ein Pseudoargument. Und selbst wenn man diese Regeln einhält, wird es kein besonders überzeugendes Argument, es ist stets nur ein Platzhalter für weit bessere Gründe. In dieser Platzhalterfunktion mag dann aber auch der Vorteil liegen, denn oft erspart es einem eine Menge Zeit, nicht zu sehr ins Detail zu gehen; vorausgesetzt, es geht um rein praktische Fragen. Grundsätzliches lässt sich mit solchen Aussagen nie klären, weil das ad verecundiam-Argument keiner Sache überhaupt auf den Grund geht. Es beschäftigt sich nicht mit einer Frage an sich, sondern nur mit Meinungen zu dieser Frage.

Sonntag, 19. September 2010

Denkfehler: Ach, wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß´!

Und wieder ein Denkfehler. Ich weiß gar nicht, wie er heißt, oder ob es überhaupt einen allgemeinen Namen dafür gibt (würde mich aber wundern, wenn nicht). Ich nenne es der Einfachheit halber jetzt Rumpelstilzchen-Trugschluss.
Ich meine damit, zu glauben, dass einen Namen für etwas zu kennen dieses auch erklärt, so wie im Märchen Macht über Rumpelstilzchen erlangt wurde, indem man seinen Namen erfuhr. Dass eine Namensgebung dazu herhalten soll, eine Frage zu beantworten, obwohl sie diese nur anders formuliert.
Beispiel gefällig?
Es war einmal, vor langer Zeit...in meiner Schulzeit, genauer gesagt. Ein Lehrer führte ein Experiment vor: Er nahm einen Eimer, füllte etwas Wasser ein, griff den Henkel und ließ den Eimer schwungvoll mit ausgestrecktem Arm vertikal kreisen. Der Eimer befand sich also zeitweise mit der Öffnung nach unten, während er diese Bewegung vollführte. Und kein Tropfen lief aus. Woran lag das? Laut meinem Lehrer an der Zentrifugalkraft, mehr Erklärung gab es nicht, und als Kind akzeptiert man so etwas leider auch unhinterfragt.
Aber was wird dadurch wirklich erklärt? Was ist die Zentrifugalkraft? Wie entsteht sie, aufgrund welcher Naturgesetze? Er hätte genauso gut sagen können, das Wasser läuft wegen des Flubberflapp-Effektes nicht aus. Er tat nichts weiter, als dem, was man ohnehin schon gesehen hatte, eine Bezeichnung zuzuordnen, aber wussten die Schüler deswegen wirklich mehr? Stieg ihr Verständnis für das, was sich vor ihren Augen tat? Nicht im geringsten.
Das ist leider noch nicht einmal die übelste Form, in der dieser Trugschluss auftreten kann. Denn hier war die Bezeichnung wenigstens noch richtig und eindeutig definiert, man konnte den Begriff im Lexikon nachschlagen (Ich rede von meiner Kindheit! Wikipedia war damals noch Science Fiction.) und eine wirkliche Erklärung war relativ leicht gefunden.
Wirklich wüst wird´s wieder bei den Esoterikern. Sie erklären alles mögliche, und auch alles unmögliche, mit hochtrabenden Begriffen wie „Aura“, „Meridiane“, „Energie“, „Bewusstsein“, aber was ausbleibt ist eine klare Definition, was sie mit dem jeweiligen Begriff eigentlich meinen. Mit Sicherheit nicht, was ein Photograph unter „Aura“ versteht, ein Kartograph unter „Meridiane“, ein Physiker unter „Energie“ oder ein Neurologe unter „Bewusstsein“. Diese Berufsgruppen haben strenge Definitionen für ihren Gebrauch dieser Worte. Esoteriker nicht. Warum eigentlich nicht?
Vielleicht liegt es daran (und mit „vielleicht“ meine ich „mir fällt beim besten Willen kein anderer denkbarer Grund ein“), dass eine klare Definition eindeutige Aussagen trifft, die zu leicht zu widerlegen wären. Aber durch Verbalschwammigkeit kann man sich jede Menge Hintertürchen offen lassen. Dabei erzeugt man allerdings so viele leere Worthülsen, dass im Grunde jeder esoterische Text inhaltslos wird.
„Erdstrahlung entlang der Hartmann-Linien stört die Energie der menschlichen Aura und führt zu Schlafstörungen.“ sagt nicht mehr oder weniger aus als „Floipl-doink entlang der Quabbeldonks stört die Wuschelflapps  der menschlichen Glitterröngs und führt zu Schlafstörungen.“ Aber letzteres klingt wenigstens genau so albern, wie es ist...

Samstag, 11. September 2010

Besuch der beiden Damen

Ach ja, die Zeugen Jehovahs...
War langweiliger, als ich dachte, sie zu Besuch zu haben. Fangen wir doch mal mit dem Positiven an: Die beiden  Frauen, die vor meiner Tür auftauchten, waren höflich, zuvorkommend, nicht humorlos und weit weniger aufdringlich, als man klischeemäßig erwarten würde.
Auf der negativen Seite erfüllte sich aber jede Erwartung. Zum einen scheinen die sehr darauf zu achten, daß man möglichst nicht mitbekommt, wer sie sind. Ich musste sie darauf ansprechen, daß ich im Impressum einer Broschüre, die sie mir überreichten, erkennen konnte, daß es sich bei ihnen um Zeugen Jehovahs handelt, an ihren Aussagen bis zu diesem Punkt war das nicht zu erkennen.
Im großen und ganzen ging es zivilisiert zu, was schade war. Etwas mehr offener Konflikt wäre weit ehrlicher gewesen. Auf meine Fragen gab es selten Antworten, zumindest wenn es an das Grundsätzliche ging. Und das war in diesem Fall: Wenn Teile der Bibel wörtlich ausgelegt werden, andere Teile als Metapher, nach welchem übergeordnetem Kriterium wird im Einzelfall entschieden, welche dieser beiden Vorgehensweisen gerade angemessen ist? Auf diesen Punkt, der meiner Ansicht nach eine der großen Schwachstellen jeder Religion ist, die auf irgendeiner schriftlichen Überlieferung basiert, bekam ich nie eine Antwort. Stattdessen wurden Bibelzitate hervorgekramt, was natürlich jede versuchte Antwort zu einem Zirkelschluß machte.
Was mich allerdings wirklich verwunderte, und was wahrscheinlich davon zeugt, daß diese beiden einen sehr engen Horizont hatten, war: obwohl ich bereits am Anfang des Gesprächs offen sagte, daß ich ein Atheist bin, und mich aber zum Zweck dieses Gesprächs auf die Hypothese, daß Gott existiert einlassen will, waren sie am Ende ihres Besuchs völlig erstaunt, daß ich an  die Evolution glaube! Ich kann mir das wirklich nur so erklären, daß sie sich mit dem Thema Evolution noch nie auch nur ansatzweise auseinandergesetzt hatten. Das Thema ließen ihre Gedanken gar nicht zu. Evolution schien einfach in ihrem Denken mit dem Wort "Falsch!" abgehakt zu sein, und jede weitere Beschäftigung damit so unnötig wie ein Kropf.
Ganz grundsätzlich muß ich mal sagen, wenn ich an Debatten zwischen Atheisten und Gläubigen denke, so kann ich nur feststellen: Die Gläubigen haben sehr wenig bis keine Ahnung von dem, was die Atheisten für richtig halten und wie deren Weltbild aussieht, wohingegen die Atheisten sehr wohl wissen, woran die Gläubigen eigentlich glauben. Oft kennen sie Details derer Religion sogar besser als die Gläubigen selbst. Da darf man sich nicht wundern, wenn ich denjenigen mehr Glauben schenke, die beide Seiten kennen, als denen, die nur eine Seite überhaupt betrachten, und diese auch oft noch nur sehr oberflächlich.

Samstag, 28. August 2010

Verpasst!!!

Samstag...und ich musste ausnahmsweise mal kurz zu meinem Arbeitsplatz, nur um eine Kuriersendung eines Kunden entgegenzunehmen. Was, nebenbei bemerkt, auch noch zu Stress führte, weil die U-Bahn aufgrund eines Feuerwehreinsatzes nicht fuhr. Nun, ich habe es noch rechtzeitig geschafft, aber verpasst habe ich trotzdem etwas.
Auf dem Nachhauseweg erhielt ich schon eine sms von der besten aller Mitbewohnerinnen, die mir eine große Überraschung ankündigte. Und zu hause empfing sie mich mit den Worten: "Jahrelang hast Du darauf gewartet, heute ist es passiert und Du warst nicht da!"
Ein kurzes Überlegen meinerseits, und dann dämmerte es mir: "Die Zeugen Jehovas kamen!"
Die beste aller Mitbewohnerinnen bestätigte das. Nun, sie war sich nicht ganz sicher, ob es nun die Zeugen Jehovas waren oder Vertreter einer ähnlichen Organisation. Aber das werde ich mit etwas Glück bald erfahren. Denn, selber kein Interesse bekundend, erklärte sie den beiden Damen an unserer Wohnungstür, dass ich sicherlich gerne mit ihnen ein Gespräch führen würde. Und dass sie doch bitte nächsten Samstag noch mal vorbeikommen sollen. Was die beiden nun vorhaben. Klug mitgedacht. Sie weiß eben, was mich freut, eine ordentliche Diskussion.
Wenn das so eintritt, dann werde ich nächste Woche wohl einiges zu berichten haben.
Hatte ich schon erwähnt, dass ich die beste aller Mitbewohnerinnen habe...?

Samstag, 21. August 2010

Denkfehler: Ein schlüpfriges (Pseudo-)Argument

Der nächste auf meiner Liste von Fehlschlüssen, die man meiden sollte.
Das Dammbruch-Argument, im Englischen in meinen Augen noch schöner benannt: Slippery slope, der schlüpfrige Abhang. Grob gesagt bedeutet es, zu argumentieren, dass ein Schritt in eine bestimmte Richtung dadurch falsch sei, weil er zwangsläufig dazu führen würde, dass die Bewegung daraufhin weiter in diese Richtung gehen würde, bis ein Punkt mit negativen Folgen erreicht wird.
Prinzipiell sind solche Fälle denkbar, aber in der Praxis ist sehr selten diese Abfolge der Ereignisse belegbar; dies würde auf alle Fälle weitere Argumente erfordern, und eine lückenlose, Kette zwangsläufig logisch aufeinander folgender Schritte von Ursachen und Wirkungen. In der Praxis vergessen Menschen, die dieses Argument benutzen, dass jedes Argument nur dann gültig ist, wenn es in jedem Fall anwendbar ist. Ansonsten müsste es erweitert werden, um zu belegen, dass der vorliegende Fall einer von denen ist, in denen es anwendbar ist. Genau das würde durch eine derartige Kette von Schlüssen erfolgen, aber solange die unterbleibt (was, milde ausgedrückt, meist der Fall ist) ist das Ergebnis ein Trugschluss.
Ohne solche stützenden Hilfsargumente besteht das slippery slope-Argument den einfachsten Test für seine Gültigkeit nicht. Die Frage, ob man mit der gleichen Argumentationstechnik zu widersprüchlichen Ergebnissen kommen kann.
Das Argument versucht, eine Handlung, den ersten Schritt eben, zu verhindern; übersieht dabei allerdings, dass das Unterlassen einer Handlung ebenso eine Handlung darstellt und sich entsprechende Schritte in die umgekehrte Richtung vorstellen lassen. Ein gutes Beispiel wäre wohl die zur Zeit immer wieder geäußerte Befürchtung, dass die Gentechnik im Lebensmittelbereich Auswüchse zeigt wie die vielzitierte (und nichtexistente) Tomate mit Fischgenen. Nun lässt sich nicht leugnen, dass die Gentechnik, ebenso wie andere Technologien auch, Einschränkungen unterworfen werden sollte. Niemand käme schließlich auf den Gedanken, es wäre sinnvoll, Autofahrer ohne Geschwindigkeitsbegrenzung durch die Innenstädte brettern zu lassen. Oder sämtliche Sicherheitsvorschriften für Elektrogeräte fallen zu lassen. Wenn nun aber jemand so tut, als würde Gentechnologie grundsätzlich und zwangsläufig früher oder später zu katastrophalen Folgen führen; wenn er sagt, die Gentechnik muss prinzipiell verboten werden, unabhängig von ihrem Sinn in jedem einzelnen und für sich abgewogenen Fall; wenn er das Szenario aufbaut, jede erlaubte Gentechnik wird dazu führen, dass letzten Endes jede gentechnische Methode erlaubt werden würde, dann muß man sagen: Ebenso würde bei jedem Verbot der Gentechnik damit zu rechnen sein, dass irgendwann jeder Einsatz von Kulturpflanzen verboten würde. Deren Gene sind schließlich auch, wenn auch nur durch Zucht und Kreuzung, manipuliert. Und das Verbot der Genmanipulation auf eine Weise würde das Verbot weiterer Methoden nach sich ziehen.
Oder, um einige Jahrzehnte zurück zu gehen und ein heutzutage und hierzulande zumindest nicht mehr ganz so kontroverses Thema als Beispiel zu nutzen:
„Wenn man die Fristenlösung beim Schwangerschaftsabbruch zulässt, wer weiß, ob das nicht der erste Schritt einer Entwicklung ist, die an ihrem Ende die Abtreibung bis unmittelbar vor der Geburt erlaubt?“
Im Sinne einer hundertprozentigen Gewissheit: Keiner. Aber wenn man den Schwangerschaftsabbruch vollständig verbietet, wer weiß, ob das nicht der erste Schritt einer Entwicklung ist, Frauen dazu zu zwingen, schwanger zu werden...?
Wie heißt es doch so schön: „Vorhersagen sind schwer zu treffen, vor allem über die Zukunft.“
Wer so argumentiert tut so, als ob die Zukunft für ihn ein offenes Buch wäre. Aber das ist sie glücklicherweise für niemanden. Das würde das Leben sonst auch entsetzlich langweilig werden lassen. Was nicht heißt, dass ich irgendwas gegen das Wissen über die Lottozahlen der nächsten Woche einzuwenden hätte...

Sonntag, 15. August 2010

Denkfehler: Die Bedeutung von Worten und falsche Dichotomie

Hallo! Da bin ich wieder. Nach langer Pause, nun hoffentlich regelmäßig. Ich will beginnen mit einem ersten Eintrag zum Thema „Denkfehler“.
Ich weiß nicht, wie viele Klassen von Denkfehlern es wirklich gibt, aber ich denke, dass wohl an die 90% aller verursachten Fehler sich auf etwa ein Dutzend Kategorien beschränken. Und weniger als 100 Fehler machen fast den ganzen Rest aus.Auf jeden Fall will ich mit etwas relativ häufigem, aber oft nicht durchschauten anfangen. Dem Fehler, der entsteht, wenn man die Definition (oder Definitionen) der verwendeten Wörter nicht ausreichend beachtet.
Als Beispiel will ich mal ein Argument benutzen, dass ich von einem Germanistikstudenten hörte, anführen; damit wollte er belegen, dass Sprache nicht logisch arbeitet. Ob dem so ist, das sei hier dahingestellt, es geht um die Frage, ob sein Argument, bzw. sein Belegbeispiel, funktioniert.
„Ist Donald Duck ein Mensch oder eine Ente? Menschen können reden, er kann reden, also ist er ein Mensch. Aber Menschen haben keine Federn, Enten schon. Also ist er eine Ente. Aber eine Ente kann kein Mensch sein, also ist unterm Strich sowohl die Aussage falsch, er wäre ein Mensch, da er eine Ente ist, aber auch die Aussage, er wäre eine Ente, da er ja aufgrund seiner Sprachfähigkeit ein Mensch sein muss. Und wenn diese Aussagen keinen Sinn geben, dann kann Sprache nicht logisch arbeiten.“
Mal ganz abgesehen davon, dass ein Beispiel in diesem Fall wenig als Beleg taugt, wenn nicht der Beweis erbracht wird, dass der entstandene Fehler der Sprache selbst anzulasten ist, und nicht dem Sprecher, werden hier zwei grundliegende Fehler gemacht:
Die Begriffe „Mensch“ und „Ente“ werden sehr frei verwendet. Alles, das reden kann, ist ein Mensch. Enten haben Federn. Banal gesagt: Würde ein dem Frankenstein-Klischee entsprechender Gentechniker eine Ente zustande bringen, die reden kann, so müsste diese als Mensch gelten. Und ein Mensch mit Federn wäre eine Ente. So leicht ist das nicht.
Und selbst die Beschreibung von Donald Duck ist ausgesprochen schwach. Donald Duck kann gar nicht reden. Schauspieler, allen voran der unvergessene Clarence Nash, sprechen seine Texte für ihn. Er hat auch keine Federn, das sind nur Tuschestriche, die Federn darstellen. Donald Duck existiert gar nicht auf der Ebene von Menschen und Enten, er ist eine Phantasiefigur, und als solche auch gar nicht an die Regeln gebunden, die für Menschen und Enten gelten.
Der zweite Fehler ergibt sich daraus, die falsche Dichotomie.
Diese gibt vor, es gäbe nur zwei Möglichkeiten, zwischen denen man sich entscheiden muss, obwohl es in Wirklichkeit mindestens eine dritte, und oft eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten gibt. Mensch oder Ente? Weder noch. Comic- und Trickfilmfigur.
Zugegeben,  die genaue Taxonomie der Bewohner Entenhausens mag nichts besonders Wichtiges sein; aber man darf nicht vergessen, dass dies nur ein Beispiel für eine falsche Dichotomie ist, das zur Erläuterung dient und deshalb sogar besonders leicht durchschaubar sein soll. Dieses falsche Argument wird sehr oft auf Gebieten wie Politik, Wirtschaft, Religion etc. verwendet, und ich hoffe, man durchschaut es dort leichter, wenn man ein griffiges Beispiel im Kopf hat.
Entweder  müssen wir die Steuern erhöhen oder die Ausgaben für Kultur senken
Entweder  Gott existiert, oder das Leben ist sinnlos
Entweder  man ist gegen den Sozialismus oder gegen die Demokratie
Und so weiter...
Wer so tut, als ob es nur zwei Möglichkeiten gibt, muss vorneweg  erstmal erklären, warum dem so sein soll, ansonsten ist jede darauf aufbauende Argumentation wertlos.

Samstag, 29. Mai 2010

Rätselhaft

Zum Angedenken Martin Gardners, der neben so vielem anderen auch der größte und beste Verbreiter mathematischer Rätsel der letzten Jahrzehnte war: Das eine und einzige Rätsel, das mir je einfiel, welches würdig ist, ihm gewidmet zu werden.
Hier Rätsel und Lösung.

Sonntag, 23. Mai 2010

Martin Gardner, 1914-2010

Martin Gardner ist gestorben.

Ich bin wirklich nahe an dem Punkt, an dem mir die Worte fehlen. Ich kann und will mich hier nicht an einem Nachruf versuchen, das können andere besser als ich. Was ich tun kann: für mich selbst sprechen und einfach sagen, dass ich nicht der Mensch wäre, der ich geworden bin, hätte es Gardner nicht gegeben, oder wäre ich nie mit seinen Werken konfrontiert worden. Ganz abgesehen davon, dass er mit seinen Büchern bei mir das Interesse für die unterschiedlichsten Gebiete geweckt hat, kam ich über ihn zu mehr anderen interessanten Autoren, als ich es überhaupt absehen kann...und das wird bestimmt noch lange so weiter gehen, da ich noch lange nicht alle seine Werke gelesen habe.

Ich verweise hier nur auf die Wikipedia-Seite über ihn, um ein wenig eine Vorstellung zu vermitteln, wer er war.

Sonntag, 9. Mai 2010

Einige Worte zur Idiotie

Vielleicht wird das hier nicht besonders elegant formuliert, aber das liegt einfach daran, dass ich im Gegensatz zu meinen üblichen Gepflogenheiten einfach munter drauflos schreibe. Ohne Entwurf oder Notizen.
Einer der Gründe, warum ich hier überhaupt etwas schreibe, ist, dass mir die Welt zu sehr von Schwachsinn angefüllt scheint, als dass ich es ertragen könnte, ohne ab und an mir etwas Intelligenz konfrontiert zu sein. Und ich entsprechend auch immer wieder mal einen Gedanken loswerden muss, der mir nicht blöde erscheint. Es ist nicht immer leicht, jemanden zu finden, der den dann auch versteht, und deshalb stelle ich den ins Internet, in der Hoffnung, dass irgendwo irgendwer etwas damit anfangen kann.
Ich kenne genug Menschen, die sich so idiotisch verhalten, dass ich es nicht nachvollziehen kann. Also so idiotisch, dass ich gar nicht glauben kann, dass es möglich ist, so viel Idiotie aufzubringen, und zugleich noch in der Lage zu sein, einfache Sätze zu lesen oder die Aufgabe 2+3=? zu lösen.
So richtig erklären kann ich es mir immer noch nicht, aber ich fange an, mehr und mehr zu vermuten, dass die betreffenden Personen gar nicht so idiotisch sind, sondern einfach nur so tun als ob. Dass da eher psychologische als kognitive Faktoren eine Rolle spielen. Insbesondere, dass einfach Überheblichkeit, Faulheit, Egoismus dazu führen, dass sie Denkprozesse, welche durchaus im Rahmen ihrer Möglichkeiten lägen, unterlassen, um ihr übertrieben positives Selbstbild aufrecht zu erhalten.
Ohne in nähere Details gehen zu wollen oder dies auch nur zu dürfen, muss ich dies an meinem Arbeitsplatz Tag für Tag miterleben. Kollegen scheinen unfähig zu sein, die simpelsten Gedankengänge selbstständig durchzuführen, und ebenso unfähig, sich an Vorgaben zu halten, die sie nicht nachvollziehen können...bzw. wollen. Vielleicht ist das die Crux des Ganzen: Solange sie ihr Hirn einfach nicht benutzen, können sie vermeiden, Argumente einzusehen, welche gegen ihre eigenen Einstellungen spricht, und diese Argumente vernachlässigen. Und dabei das für sie angenehme Bild aufrecht erhalten, sie wären im Recht.
Sie versuchen auf diese Weise, sich eine Freikarte für jedes Verhalten zu verschaffen, dass ihrer Lust und Neigung entspricht, sich jedes Recht zu sichern und jede Pflicht von sich zu weisen.
Nun, wahrscheinlich interessiert das kein Aas, mit welcher Idiotie ich jeden Tag am Arbeitsplatz konfrontiert werde. Kann ich verstehen. Wenn ich das hier trotzdem so öffentlich kund tue, so mag das dennoch einen Sinn haben, der über das simple Frust loswerden hinausgeht: Ich denke sehr, dass alle Mechanismen, die ich bei den betreffenden Kollegen beobachten kann, voll und ganz ihre Entsprechung im Auftreten anderer Menschen haben, die im Licht der Öffentlichkeit stehen, die Macht und Einfluss haben, und die sich ebenso gerne der Kritik entziehen. So stelle ich sehr häufig fest, dass der Klerus etwa unglaublich häufig Argumente bringt, die derart schwach sind, dass ein intelligenter 10-jähriger vermutlich die darin verborgenen Denkfehler aufspüren und entlarven könnte. So kann ich den entsprechenden Klerikern und denen unter ihren Gefolgsleuten, die ihren Pseudoargumenten Glauben schenken, auch nur unterstellen, dass sie, falls sie diese Sprüche tatsächlich glauben, dies nur tun, weil sie es glauben wollen, und zwar so sehr, dass sie bereit sind, ihren Verstand völlig auszuschalten. Ich erinnere nur an diese Meldung.
Der Tipp, den ich jedem geben kann: Beobachten, welchen Denkfehler man im kleinen und alltäglichen Rahmen begegnet...und dann sich nicht von irgendwelcher "Autorität" einschüchtern zu lasen, und jede Meinung eines Macht innehabenden Menschen nach genau diesen Fehlern abzusuchen. Sie mögen vielleicht nicht die Dümmsten sein, aber es sind auch Menschen, denen man nicht a priori unterstellen kann, dass sie psychisch gefestigter als Otto Normalverbraucher sind, und deren jeder Glaube und jede Überzeugung ebenso überprüfenswert ist, ob sie nun die Folge eines sachlichen Gedankenganges ist, oder Ergebnis eines unbedingten daran glauben Wollens.

Sonntag, 2. Mai 2010

Zahlenverständnis

Ich fand heute alte Notizbücher von mir, in denen ich meine Gedanken über Themen, um die es auch in diesem Blog geht, zu Papier brachte. Zwei kleine Notizen daraus, die darstellen, wie man Zahlen hinterfragen und interpretieren sollte:

- Angeblich kam bei einem Doppelblindversuch zur Wirkung von Grünmuschelextrakt mit 28 Arthritispatienten heraus, dass 67,9% aller Arthritispatienten dadurch deutliche Besserung verspürten.
Der einzige Bruch, bei dem Zähler und Nenner jeweils kleiner oder gleich 28 sind, der 67,9% ergibt (genauer: 67,857128...%), ist 19/28. Das bedeutet: Alle Teilnehmer haben das Präparat bekommen, es gab keine Kontrollgruppe, und von einer Doppelblindstudie kann keine Rede sein!

-Wenn jemand 44 Jahre alt ist, und seit seiner Geburt, 7 Tage die Woche, 24 Stunden am Tag, jede Sekunde drei Tabletten zu 250 mg eines homöopathischen Präparats in D12-Potenzierung zu sich nimmt, dann hat er im Laufe seines Lebens 1 mg des Wirkstoffes zu sich genommen. Bei geschätzt 7,- € für 180 Tabletten wären das Kosten von 161 884 800 €, grob entsprechend einem 100 m hohem Stapel 100€-Scheine. Für 1 mg! Teuer. Finde ich.
Ach ja, Homöopathen werfen der "Schulmedizin" gerne Habsucht vor...

Samstag, 1. Mai 2010

Aber bitte das dann nicht "Das Wort zum Sonntag" nennen...!

Wie machen das andere Leute?
Ich halte mich nicht für einen Faulpelz oder für besonders einfallslos, oder etwa für unfähig, mich auszudrücken, aber ich finde nicht genug Zeit und Muse, hier Tag für Tag etwas sinnvolles zu schreiben. Liegt vielleicht daran, dass jeder interessante Gedanke gleich einen Rattenschwanz weiterer nach sich zieht, und alles zu unübersichtlich wird. Meine Lösung, zumindest vorerst: Jeden Sonntag einen ausführlichen Eintrag hier, und dazwischen nur aus aktuellem Anlass.
Ich denke, dass ich so meine Qualitätsvorstellungen erfüllen kann, auch wenn die Quantität nicht so hoch ist. Aber das ist ja egal: Das Internet ist groß, es gibt genug anderes.
Vorgenommen habe ich mir eine Serie über meine "Lieblings"-Denkfehler...

Montag, 26. April 2010

Es ist ein Kreuz...

Heute morgen fiel mein Blick, was er glücklicherweise nicht all zu oft tut, auf die Schlagzeile der Morgenpost. Eine Politikerin, Aygül Özkan, sprach sich dagegen aus, Kruzifixe in staatlichen Schulen aufzuhängen. Mit anderen Worten, eine Äußerung über eine reine Formalität ist eine Titelseite wert. Zeigt mir nur mal wieder, wie leicht es doch ist, Religionsanhängern auf den Schlips zu treten, indem man auch nur die zarteste Andeutung von sich gibt, sie könnten in irgendeiner Weise mit ihren Lehren nicht 100 % im Recht sein.

Ich ahnte schon fast den Wortlaut des Kommentars, der früher oder später von irgendeinem Politiker, der eine andere Meinung vertritt, kommen musste...vielleicht habe ich diese Art der Reaktion einfach schon zu oft gehört, um dies nicht zu tun. Originell sind die jedenfalls nicht:

Auch ihr Mentor Christian Wulff distanzierte sich von der 38-Jährigen. "In Niedersachsen werden christliche Symbole, insbesondere Kreuze in den Schulen, seitens der Landesregierung im Sinne einer toleranten Erziehung auf Grundlage christlicher Werte begrüßt", so der CDU-Mann.

Diese leere Worthülse der „christlichen Werte“: Hat jemals ein Politiker diese definiert? Ich bin mir sicher, dass da nur eine gezielte Auswahl genannt würde, Dinge über andere Wangen und erste Steine gehören nicht unbedingt zum Repertoire eines Politikers im Umgang mit seinen Kollegen oder dem Volk. Und auch das mit dem Nadelöhr hatte meines Wissens noch keinen nennenswerten Einfluss auf Steuer- und Subventionsgesetzgebung. Und ist nicht die strikte Trennung von Kirche und Staat auch schon im Neuen Testament vorgeschrieben?

So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!

Ganz abgesehen davon, dass es keine speziell christlichen Werte gibt, die sowohl akzeptabel sind, als auch im Christentum ihren Ursprung haben, und davon, dass es so einige gibt, vor denen es mich nur grausen kann (wie etwa die kritiklose Ergebenheit an unbelegte Glaubenssätze, die auch noch in sich widersprüchlich sind), wenn jemand wirklich mit diesen ominösen christlichen Werten argumentieren will, dann sollte er dazu stehen, dass diese für das Kruzifixverbot an staatlichen Schulen eintreten. Wer das nicht tut, ist, um weiter im Neuen Testament zu verbleiben, ein Pharisäer.

Ich denke, was ich am wenigsten an allen „heiligen“ Schriften ausstehen kann, ist, dass Demagogen sich so leicht auf sie berufen können, weil weder sie noch ihre gläubigen Zuhörer sie je gelesen haben und nicht wissen, was drin steht. Was man auch haben will, einfach mal sagen, die Bibel, sonst eine Schrift, Gott oder der Große Kürbis wollen es so. Schaut keiner nach.

Mit Verlaub, fast alle meckern so gerne über die Politiker...warum machen sie es ihnen dann so einfach?


Sonntag, 25. April 2010

Interpretationen

Ich verstehe nicht, warum so viele Menschen von Dingen überzeugt sind, aus keinem anderen Grund, als dass sie eine persönliche Wahrnehmung gemacht haben. Homöopathie hilft, mein Schnupfen ging vorüber. Ich spüre mit meinen Händen die Energie der Pyramide. Die Vorhersage der Tarotkarten ist eingetroffen. Und so weiter...
Man kann nichts wahrnehmen, ohne zu interpretieren, und wo die Wissenschaft versucht, mit strengen Kontrollen Interpretationen zu überprüfen, da geht in der freien Wildbahn die Phantasie mit den Menschen durch. Eine kleine Lektion, wie die Interpretation einen täuschen kann; wie das, was man wahrzunehmen glaubt von dem abweichen kann was man wirklich wahrnimmt und was real ist, demonstriert von dem großartigen Duo Penn & Teller.

Montag, 19. April 2010

Krank

Bin *schnief!* zu erkältet, um mich hier noch sinnvoll auszulasssen. Eine Menge neue Dinge sind in Arbeit, aber ich habe abends nicht mehr die nötige Konzentrationsfähigkeit für dieses Blog. Gönne mir ein paar Tage Ruhe, aber hier noch schnell ein gezeichneter Kommentar, mit dem ich mal ein anderes Blog begann, in dem es um Zeichnung geht. Passt hier aber auch rein.

Freitag, 16. April 2010

Manchmal gewinnen die Guten

Es scheint in Deutschland weit weniger die Runde gemacht zu haben als in England, aber der Wissenschaftsautor Simon Singh hatte einen harten Rechtsstreit gegen die Britische Chiropraktiker-Vereinigung auszustehen, der sich über lange Monate hinwegzog. Wenn Wissenschaft gegen Pseudowissenschaft steht, dann kann man sich denken, wo meine Sympathien liegen. Sehr überraschend brachte die BBC nun eine Meldung, die meine Titelzeile rechtfertigt: Ab und zu siegt doch das Gute, wie schlimm es auch in der Welt im großen und ganzen zugehen mag!
Allerdings steht der britischen Justiz ja noch eine viel wesentlichere Aufgabe bevor...

Mittwoch, 14. April 2010

Warum „Doppelblindversuch“?

Warum heißt dieses Blog „Doppelblindversuch“? Jedenfalls steht der Name symbolisch für die Idee dahinter. Eine Erklärung des Begriffs Doppelblindversuch sollte gleichzeitig auch ausreichend begründen, warum ich diesen Titel gewählt habe. Wissenschaftliche Experimente versuchen so gut wie möglich einzelne Faktoren, die einen Einfluss auf das Ergebnis haben könnten, zu isolieren. Nur so lässt sich feststellen, welcher von ihnen der tatsächliche Auslöser eines messbaren Effektes ist.
Ein nicht zu vernachlässigender dieser Faktoren besteht in allen am Experiment beteiligten Personen. Auch ohne dass bewusste Manipulation im Spiel sein muss; jeder Mensch hat Vorurteile, die einer Wahrheitsfindung nur im Wege stehen können. Und wie lässt sich dieser Einfluss ausschalten? Durch „Verblindung“, d. h. eine Erwartung aufgrund eines Vorurteils wird unterbunden, indem verborgen bleibt, was man im Einzelnen untersucht.
Besonders wichtig ist das natürlich auf Gebieten, in denen jede Beurteilung Ermessensfrage ist, objektive Messung im Grunde unmöglich, wie in der Medizin: Wie sollte man messen, wie sehr es einem Patienten besser oder schlechter geht?
Dort ist der Doppelblindversuch Standart: Zwei Patientengruppen bekommen verschiedene Medikamente (oder eine ein Medikament, die andere einen Placebo), und weder Patienten, noch Experimentatoren wissen, in welcher Gruppe sich ein einzelner Patient befindet. Das wird erst offenbart und den Untersuchungsergebnissen zugeordnet, nachdem alle Daten erhoben wurden. Dadurch wird der Doppelblindversuch zu einem der größten Feinde der Esoteriker, Parawissenschaftler und Geschäftemachern, die mit wilden Behauptungen um sich werfen: Er verhindert effizient, etwas anscheinend zu messen, das in Wahrheit gar nicht vorhanden ist.
Und wenn jemandem die normalerweise von genannten Personengruppen gemachten Aussagen schon wie die Ausgeburten einer kranken Phantasie erscheinen (wie mir), so gibt es noch eine Steigerung:
Die an einzelnen Haaren herbeigezogenen Ausreden, die Täuschungsmanöver und Ausflüchte, die kommen, wenn man diese Menschen mit den Ergebnissen von Doppelblindversuchen konfrontiert, die ihre Worte Lügen strafen. Es läuft immer auf das gleiche hinaus, der von ihnen behauptete Effekt sei mir dieser Methode nicht zu messen. Stimmt auch...weil er nicht da ist. Aber sie sagen nach wie vor, er existiert. Ohne Begründung, warum er diesem Messverfahren entgeht. Und ohne Erklärung, woher SIE denn wissen, dass da etwas ist. Denn alles, was sie als Beleg anführen können, sind weit fehleranfälligere Verfahren, oft bis hin zum „Ich spüre das!“. Mutet das nicht kindisch an, wenn man mit etwas konfrontiert wird, das weiter und weiter zu verschwinden scheint, je näher man es mustert, dann nur noch überzeugter zu sein, es wäre da?
Die Liste der Techniken und Lehren, die sich bei Anwendung vorurteilausschließender Methoden nie bestätigen ließen, ist fast endlos: Feng Shui, Wünschelrutenlaufen, Homöopathie, Schüssler-Salze, Kinesiologie, Astrologie, Pendeln, Wahrsagerei...und immer gibt es nur Ausreden als Folge. Ich betone: Niemals eine schlüssige Erklärung, die nicht noch absurder ist, als die ursprüngliche Behauptung an sich.
Einmal haben Homöopathen selber einen Doppelblindversuch durchgeführt. Und selbst die brachten es nicht fertig, ein für die Homöopathie positives Ergebnis zu erzielen. Die Vergleichsplacebos führten zu den gleichen Resultaten wie die homöopathischen Präparate. Normale Menschen schließen daraus, dass die Homöopathie nichts zu bieten hat, außer eine Placebowirkung. Homöopathen schlossen daraus, dass sie eine neue Eigenschaft ihrer Mittelchen entdeckt haben. Dass sie auch bei den Leuten angeschlagen haben, die sie gar nicht eingenommen hatten, weil sie sich in einer Vergleichsgruppe zu den homöopathisch behandelten befanden!
So ähnliche Gedankengänge hatte ich auch schon...als ich drei Jahre alt war. Spätestens mit fünf sollte man so etwas allerdings ablegen.
Deswegen also „Doppelblindversuch“; nicht, weil ich meine bescheidenen Leistungen mit denen dieses Verfahrens vergleichen will. Sondern als Ehrerbietung an ein geniales Konzept. Simpel, schlicht, leicht nachvollziehbar und doch so Wirkungsvoll.

Lebensfreude antwortet

Lebensfreude Messen sendete mir heute eine erste Antwort auf mein Schreiben. Noch nichts bedeutsames, denn auf inhaltliche Fragen wird da noch nicht eingegangen. Nichtsdestotrotz ein positives Zeichen, dass Hoffnung weckt, bald mehr zu hören.
Sehr geehrter Herr Hartmann,


vielen Dank für Ihr Schreiben vom 08.04.2010.

Die Namen Stelzl und Schmidt wurden dank Ihres Hinweises mittlerweile
korrigiert.

Wir bitten um Ihr Verständnis, dass die Beantwortung der vielen weiteren
Fragen etwas dauern wird
und melden uns in den nächsten Tagen bei Ihnen.

Liebe Grüße

Ines Clausen
Projektmanagement

Montag, 12. April 2010

Eine Pressemeldung

Ich wundere mich immer wieder, was für irrwitzige Behauptungen manche Menschen anstelle von Argumenten akzeptieren. Aber seit es dieses Blog gibt, habe ich noch nichts gefunden, das derart intensiv zum Misstrauen auffordert, wie diese CNN-Meldung. Kann da denn irgendjemand anders reagieren, als sich zu fragen, ob da nicht vielleicht doch ein heimlicher Hintergedanke im Spiel sein könnte...?
Hartford, Connecticut (CNN) -- A bill in Connecticut's legislature that would remove the statute of limitations on child sexual abuse cases has sparked a fervent response from the state's Roman Catholic bishops, who released a letter to parishioners Saturday imploring them to oppose the measure.
Under current Connecticut law, sexual abuse victims have 30 years past their 18th birthday to file a lawsuit. The proposed change to the law would rescind that statute of limitations.
The proposed change to the law would put "all Church institutions, including your parish, at risk," says the letter, which was signed by Connecticut's three Roman Catholic bishops.
Also: Würde die Verjährungsfrist für den sexuellen Missbrauch von Kindern abgeschafft, würde das alle kirchlichen Institutionen gefährden...?
Das schlimme ist, je länger ich darüber nachdenke, desto mehr kommt es mir wie die Wahrheit vor. Nur, mir scheint das mehr ein Grund für die Abschaffung der Verjährungsfrist zu sein, als dagegen zu sprechen.

Sonntag, 11. April 2010

Akupunkturpunktmessung

Hier ist ein bekanntes kleines Experiment:
Man bekommt folgende vier Karten vorgelegt, und dazu gesagt: Jede Karte hat auf einer Seite eine Ziffer und auf einer einen Buchstaben. Ich behaupte, wenn auf einer Karte ein Vokal ist, befindet sich auf der gegenüberliegenden Seite eine gerade Zahl.Nun darf man zwei Karten umdrehen, und soll diese möglichst gut auswählen, um die Behauptung zu überprüfen.
Jeder Leser darf sich nun Gedanken dazu machen, ich berichte erstmal weiter von der Lebensfreude Messe. Ich wurde von einem Herrn an einem kleinen Stand angesprochen. Dort gab es zwei kleine Tische mit je einem Stuhl davor und dahinter, und ein für mich unidentifizierbares technisches Gerät auf jedem Tisch.
Der Mann bot mir an, eine kostenlose Messung des elektrischen Potentials an einem Akupunkturpunkt durchzuführen. Damit soll festzustellen sein, in welchem Gesundheitszustand verschiedene Organe sind, die über Meridiane mit diesem Akupunkturpunkt verbunden sind. Ich stellte mich dumm, und fragte, was ich mir unter einem elektrischen Potential denn vorstellen solle, und bekam erklärt, dass dieses durch den Körper, durch jede einzelne Zelle fließt. Ich fragte, ob das nicht einfach ein elektrischer Impuls ist, also ein Nervensignal. Nein, das wäre etwas anderes. Dann ging es um die Frage: Wenn jede Zelle ein solches Potential hat, und man die Sonde auf der Haut ansetzt, woher weiß man dann, dass man nicht das elektrische Potential der Hautzellen an dieser Stelle misst, statt die Auswirkung irgendwelcher Meridiane (die wissenschaftlich nicht nachgewiesen und, milde ausgedrückt, sehr unwahrscheinlich sind). Die Antwort lautete nur: Man misst nicht auf der Haut, sondern am Akupunkturpunkt.
Mit mehrmaligen Versuchen, zu erklären, dass der Akupunkturpunkt Bestandteil der Haut ist, kam ich nicht weiter; aber immerhin erfuhr ich, dass eine Messung an jedem anderen Punkt der Haut nicht möglich wäre, da ja nicht die Haut gemessen wird, sondern nur der Akupunkturpunkt.
Und das war genau das, worauf ich gewartet hatte: Eine an Ort und Stelle überprüfbare Aussage! Als der Herr mir daraufhin erneut das Angebot einer kostenfreien Messung dieser Art machte, konnte ich sagen: „Okay, ich schlage folgendes vor: Da ich nicht glaube, dass das funktioniert, machen wir jetzt zwei Messungen. Eine an dem von Ihnen genannten Akupunkturpunkt, eine an einer Hautstelle, die ich bestimme.“
Ich paraphrasiere den nun folgenden Dialog:
„Nein, das mache ich nicht.“
„Warum denn nicht?“
„Das gibt keinen Sinn, da kommt nichts raus.“
„Inwiefern kommt da nichts raus?“
„Da kann man gar nichts messen.“
„Genau darum geht es mir; wenn Ihr Gerät am Akupunkturpunkt etwas misst, woanders nicht, dann zeigt das, dass die Technik funktioniert.“
„Da muss ich nichts messen, ich weiß, dass da nichts passiert.“
„Aber ich weiß das nicht, und sie könnten es mir beweisen.“
„Das ist sinnlos, da was messen zu wollen.“
„Nun, der Sinn wäre, mir genau dies zu demonstrieren. Ich glaube nicht, dass Ihre Methode funktioniert. Aber wenn Sie mir jetzt vorführen, dass Sie ein elektrisches Potential an einem Akupunkturpunkt messen können, und an einer anderen Hautstelle nicht, dann werde ich glauben, dass da was dran ist.“
„Das ist Sinnlos.“
„Der Sinn wäre es, mich zu überzeugen.“
„Ich muss hier nichts vorführen! Gehen Sie zu Ihrem Heilpraktiker, da können Sie das gerne ausprobieren. Es gibt genug Heilpraktiker, die so ein Gerät haben.“
Im Folgenden versuchte ich noch herauszubekommen, mit wem ich eigentlich gesprochen habe, aber auf alle Fragen nach Namen der Firma oder wo sie ansässig sei bekam ich nur ausweichende Antworten, das wäre gar nicht nötig zu wissen, ich solle mich an Hamburger Heilpraktiker wenden.An dem Stand selber war nichts diesbezüglich konkret auszumachen. Es gab ein Logo mit der Buchstabenkombination „EST“, aber nichts eindeutiges, wofür sie steht. Eine Aufschrift „LedMag-1500“, anscheinend das Testgerät, von dessen Kauf oder auch nur seiner Verwendung ich nun nur abraten kann. Und die Technik selber wurde im Gespräch als „Messung nach Dr. Voll“ bezeichnet, aufgrund der beharrlichen Weigerung, sie zu demonstrieren, vermute ich, dass sie etwa so viel taugt wie eine massive Granit-Schwimmweste. Bei vorsichtigster Betrachtung muss man jedenfalls davon ausgehen, dass bis zum Beweis des Gegenteils hier von einem Angebot auszugehen ist, das einem für viel Geld nichts bietet, als einem Sand in die Augen zu streuen.
Und jetzt erkläre ich das Experiment am Beginn dieses Berichtes. Hier sind die Karten inklusive ihrer, darunter abgebildeten, Rückseiten:Viele Menschen entscheiden sich, die erste und die dritte Karte von links umzudrehen. Die Zweite Karte umzudrehen ist offensichtlich sinnlos, man sieht einen Konsonanten, und die zu überprüfende Aussage (eine Karte mit Vokal auf der einen Seite hat auf der anderen Seite eine gerade Zahl) kann sich gar nicht darauf beziehen. Die dritte Karte ist für den Test geeignet, würde man sie umdrehen und eine ungerade Zahl sehen, wäre die Aussage widerlegt, ansonsten hätte man zumindest ein Beispiel für die Gültigkeit. Die Wahl zwischen der ersten und der letzten Karte ist der Knackpunkt, die beiden anderen Karten dienen nur dazu, es nicht allzu durchsichtig zu machen, worum es geht. Mit der ersten Karte lässt sich die Aussage gar nicht überprüfen, denn diese besagt nicht, dass NUR ein Vokal von einer geraden Zahl begleitet werden darf. Sie umzudrehen erhöht meinen Informationsstand diesbezüglich nicht, bestenfalls komme ich zu einem weiteren Beispiel, das sich nach der Regel zu richten scheint. Aber die vierte Karte, die bietet den wahren Test dafür. Darauf ist eine ungerade Zahl, also darf dort eigentlich kein Vokal auf der Rückseite stehen. Und trotzdem entscheiden sich mehr Leute für die erste als für die vierte Karte.
Warum ist das so? Ich vermute, weil Menschen mehr dazu tendieren, Bestätigung als Widerlegung zu suchen. Und weil viele die Vorstellung haben, eine genügend hohe Anzahl von Beispielen belegt eine Regel; dabei ist die Abwesenheit von Gegenbeispielen das viel wichtigere Kriterium. Anscheinend ist das nicht jedem klar, sie denken, dass Ausnahmen wenig besagen, da sie die Regel bestätigen. Falsch. Tun sie nicht. Taten sie nie und werden es nie tun. Und wer, wie ich, diesen alten Spruch schon viel zu oft gehört hat, der sollte sich seine Herkunft vor Augen halten:
Die Ausnahme bestätigt die Regel:
Abgeleitet vom lateinischen exceptio probat regulam in casibus non exceptis („Die Ausnahme bestätigt die Regel in den nicht ausgenommenen Fällen.“). Verwendet in Ciceros Verteidigung Lucius Cernelius Balbus Maiors, in welcher Cicero argumentierte, wenn eine Ausnahme eine Handlung illegal mache, sei diese Handlung in den Fällen, die nicht von der Ausnahme betroffen sind, als gesetzlich zu bewerten.
Jedenfalls führte man mir genau dieses Phänomen auf der Messe vor: Völlige, sogar schon fast aufdringliche, Bereitschaft zum Vorführen eines Beispiels, aber strikte Ablehnung eines wirklichen Tests, der zu einem Gegenbeispiel führen könnte. Ob das in obigem Fall nun daran lag, dass der Messeteilnehmer wirklich keinen Sinn in so einem Versuch erkennen konnte, oder er sehr wohl wusste, was passieren würde, das sei dahingestellt. Entscheidend ist vielmehr, dass die Besucher einer Esoterikmesse sich offenbar in der Regel mit dem Vorführen von sorgfältig selektierten Beispielen zufrieden geben, statt kritisch zu hinterfragen.

Lebensfreude Wasser auf der Lebensfreude Messe

Nun will ich mal beginnen, meine Erlebnisse auf der Lebensfreude Messe zu schildern. Vielleicht zum Anfang ein paar Worte dazu, wie man mit mir umging. Sehr höflich, wie ich bereits schrieb. Ich deutete das als ein gutes Zeichen in Richtung: Die Menschen dort sind wirklich von ihren Angeboten überzeugt. Eine kluge Frage einer Freundin lässt mich nun auch wieder in Zweifel geraten...(ja, ich schwanke hin und her, aber das ist mein Prinzip: eine Meinung stets als vorläufig aufzufassen, um sie neugewonnener Information anzupassen). Sie fragte mich, was denn die Aussteller über mich dachten, insbesondere, ob sie mich vielleicht für einen Journalisten hielten. Da fiel mir erst auf, dass ich immer wieder gefragt wurde, was ich denn von Beruf sei, sobald es ans Eingemachte ging. Haben die Angst vor Journalisten mit kritischen Fragen?
Wie dem auch sei, ich erzähle nun vom Stand des Lebensfreude Wassers.
Als ich das erste mal diesen Stand im Foyer des Veranstaltungsortes sah, war ich zunächst überrascht, wie schlicht und simpel er aufgebaut war. Ein Tisch an der Wand, darauf einige laminierte Bögen Papier, überwiegend mit den Texten der Website gefüllt. Und ein Stapel Wasserkartons, etwa acht bis zehn. Keine großen Tafeln, keine Broschüren oder Flyer zum mitnehmen, vielleicht der schlichteste, um nicht zu sagen amateurhafteste Stand der ganzen Messe. Der ausgerechnet das Produkt des Messeveranstalters anbietet. So unscheinbar, dass ich beim ersten vorbeigehen ihn gar nicht bemerkte. Wohlgemerkt, nicht nur nicht identifizierte, sondern gar nicht bemerkte. Es sah einfach nicht nach einem Messestand aus.
Ein junger Mann stand dort herum und schien zu dem Stand zu gehören, und als ich näher an den Tisch trat und einen Blick auf die Unterlagen dort warf, sprach er mich an, was in meiner Absicht lag. Es erweckt einen harmloseren Eindruck, wenn man derjenige ist, der angesprochen wird, und nicht der, der die Initiative ergreift. So konnte ich einige Fragen zum Aufwärmen Stellen: Wo denn diese Quelle eigentlich ist und ähnliches.
Auf diese Fragen bekam ich auch Antworten, aber viele kamen dann nicht mehr. So fiel mir zum Beispiel eine Tabelle auf, die ich noch nicht kannte, und mit der ich rein gar nichts anfangen konnte, weil die Beschriftung der y-Achse unleserlich klein war, die x-Achse überhaupt nicht beschriftet. Da konnte der Junge Mann mir auch nicht weiterhelfen, er verwies mich auf einen Herrn Landschulze, der eine halbe Stunde später wieder am Stand sein sollte. Dann fragte ich noch nach der Bedeutung der Abkürzung TDS im dort ausliegenden Text:
Eine wichtige Aufgabe von Wasser ist auch, den Körper von Schadstoffen frei zu spülen und Ablagerungen heraus zu transportieren. Diese Aufgabe kann Wasser am besten erfüllen, wenn es wenige Mineralien enthält. Lebensfreude WASSER zeichnet sich durch einen geringen Anteil an gelösten Mineralien (130 TDS) aus. Es ist insbesondere sehr natriumarm
Das konnte er mir auch nicht beantworten und ebenso wenig, wie hoch der Natriumgehalt ist; letzteres ergab sich dann noch bei meinem zweiten Besuch des Standes, da schaute er auf der Packung nach. Ich wurde erneut auf Herrn Landschulze verwiesen, aber die Frage nach den TDS schien in seinem Kopf immer noch herumzukreisen, er blickte auf den Text und sagte mir, es handelt sich um eine Abkürzung für „Tausend“.
Ich verabschiedete mich mit dem Hinweis, ich würde vielleicht später noch einmal vorbeischauen und ging; sprach mit einigen weiteren Ausstellern, worüber ich ein andermal berichten werde, und kam etwa eine Stunde später wieder vorbei.
Inzwischen war Herr Landschulze anwesend. Dieser versicherte mir, sich Jahrelang mit dem Thema Wasser beschäftigt zu haben, also schien er mein richtiger Ansprechpartner. Die Abwesenheit der x-Achsenbeschriftung der Tabelle erklärte er mir damit, dass der Text nicht mehr auf die Seite gepasst hätte, die fehlenden Angaben sind die Wasserquellen, auf die sich die einzelnen Spalten beziehen. Sogar ich war dann allerdings erstaunt, dass keine der Spalten für das dort angebotene Wasser stand.
Ich sprach ihn auf das „TDS“ an, und er wusste, dass es die Abkürzung für total dissolved solids war, aber anscheinend auch nicht so recht, was diese Abkürzung wirklich bedeutet. Jedenfalls war es nötig, ihn darauf aufmerksam zu machen, dass keine Maßeinheit in dem Begriff enthalten ist, so dass die Zahl davor keinen Sinn gibt.
Schließlich fragte ich nach diesem Passus
Das Lebensfreude WASSER reagierte auf 181 von 200 verwendeten Frequenzwerten im Bereich von 0,5 bis 100 Hertz. Es hat damit ein sehr breites Wirkungsspektrum, das das Wohlbefinden steigern und eventuelle Befindlichkeitsstörungen reduzieren, oder sogar beheben kann
und ob er mir Vergleichswerte nennen kann. Was zum Beispiel ein Wert für Leitungswasser wäre. Er sagte, den wüsste er nicht. Und als ich dann fragte, ob der Wert also alles mögliche sein könnte, zum Beispiel 10, oder auch 195, bekam ich zur Antwort: Das kann schon sein...aber wohl eher 10. Um das noch mal ganz klar zu sagen: Er behauptete, eine Reaktion auf viele Frequenzen würde positive Eigenschaften von Wasser belegen, sein Wasser würde auf viele reagieren, wäre folglich sehr gut; aber er weiß nicht wirklich, ob Leitungswasser schlechter oder besser abschneiden würde.
An dieser Stelle offenbarte ich mich als der Absender der neulich hier veröffentlichten mail und überreichte ihm einen Ausdruck. Er sah sie, sagte, er hätte davon gehört, und es ergab sich ein etwas durcheinander laufendes Hin und Her von Argumenten, die ich selber nicht mehr aus dem Gedächtnis nachvollziehen kann. Aber auf mehrmaliges Anfragen meinerseits, wer er denn eigentlich ist, welche Funktion er innehat, bekam ich nur ausweichende Antworten. Er gab sich alle Mühe, alle Aussagen zu vermeiden, die in irgendeiner Form als offizielle Stellungnahme einer Firma interpretiert werden könnten. Jedenfalls wurde mir versichert, ich würde auf meine mail ein Antwortschreiben erhalten.
Dann verließ ich die Messe. Leider muss ich gestehen, dass meine Vorbereitungen für den Tag zu wünschen übrig ließen, denn erst Stunden später fand ich auf der Veranstalterwebsite folgende Vortragsankündigung der Lebensfreude Messe Kiel im Oktober 2009:
Raum 3 Peter Landschulze Lebensfreude zum Trinken - das neue Lebensfreude-Wasser – Trink Dich Frisch!
Wenn es sich bei dem hier genannten Herrn Landschulze um den gleichen handelt, und dafür spräche doch einiges, so frage ich mich, was der in einem Vortrag dazu groß erzählen kann, wenn es ihm nicht gelang, mir gegenüber einen Vorteil zu Leitungswasser zu nennen. Das versuche ich noch herauszubekommen. Ebenso, ob es sich dabei um den Peter Landschulze handelt, der Geschäftsführer der AquaLife GmbH in Buchholz ist. Der Name dieser Firma lässt einen Bezug zu esoterischen Angeboten wie dem Lebensfreude Wasser zumindest zu. Aber auch da kann ich bis jetzt nur mutmaßen. Wie viele Peter Landschulzes mag es in Deutschland wohl geben...?

Samstag, 10. April 2010

Auf der Lebensfreude Messe

Heute begab ich mich auf die Lebensfreude Messe, was sicherlich Material für noch so manche Mitteilung hier liefert, sobald ich die Zeit dazu finde.
Doch hier und jetzt möchte ich erst mal nur einige wenige Feststellungen treffen.
Zunächst: ich klassifiziere Anbieter esoterischer Waren und Dienstleistungen ja als definitionsgemäß in einer der folgenden Gruppen:
1.) Angebote, die sinnvoll sind, obwohl ich nicht nachvollziehen kann, auf welche Weise sie das zustande bringen sollen.
2.) Angebote, die aus fester Überzeugung von ihrer Wirkung durch gutgläubige Händler und Dienstleister gemacht werden, welche zwar keinen Effekt haben, aber ohne dass es diesen Anbietern bewusst ist. Diese Anbieter wären dann zugleich Opfer und Täter des Esoterikmarktes.
3.) Angebote, von denen diejenigen, die sie verbreiten, genau wissen, dass sie Humbug sind; aber die aus rein finanziellen Gründen trotzdem auf dem Markt verbreitet werden.
Der Besuch auf dieser Messe weckte in mir den Eindruck, dass die zweite Gruppe weit größer ist, als ich bisher vermutete. Der Großteil der dort als Aussteller agierenden Gesprächspartner, auf die ich stieß, schien mir in diese Kategorie zu gehören. Und sie waren allesamt relativ Gesprächsbereit und höflich in der Reaktion auf meine bohrenden Fragen.
Insbesondere muss ich meine Meinung über die Vertretern des Lebensfreude Wassers korrigieren, von denen ich mir fast sicher war, dass sie in die Kategorie 3 gehören; alles, was ich dort wahrnahm erweckte den Eindruck, dass sie in die zweite Gruppe gehören, wenn die beiden Personen, mit denen ich sprach, repräsentativ sind.
Vor allem aber wurde ich veranlasst, meine Ansicht in einem konkreten Kritikpunkt zu ändern, und teilte das auch umgehend der Firma Lebensfreude Messen mit, in folgender e-mail:
Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich habe heute auf der Lebensfreude Messe mit einem Herrn über Ihr Wasser gesprochen, und auch wenn er zu den meisten meiner Fragen keine Antwort liefern konnte, so weckte er in einem Punkt zumindest meine Zweifel; ich überprüfte meine eigenen Informationen, und kam zu dem Schluss, dass ich mich betreffs artesischer Quellen wohl doch insofern im Unrecht befand, als dass diese tatsächlich existieren, und Wasser nicht nur in Brunnen artesisch an die Oberfläche tritt. Betrachten Sie die Frage nach der Herkunft aus Brunnen bzw. Quelle damit als überflüssig, ohne dass sich das auf meine Fragen in anderen Zusammenhängen auswirkt.

Mit freundlichen Grüßen, Herbert Hartmann

Meine sonstigen Fragen blieben aber unbeantwortet, und ich werde demnächst ausführlicheres berichten.