Sonntag, 21. November 2010

Der Bauch denkt mit...?

Erstaunlich, was vielen Menschen ihr Bauch alles sagen kann! Durch eine merkwürdige Form des internen Ventriquolismuses ist der Bauch bei ihnen offenbar in der Lage, das Hirn zu überstimmen. Wie das geschieht ist mir völlig rätselhaft, ganz besonders da mir eine hochkomplexe Struktur aus 100 000 000 Nervenzellen besser zum Denken geeignet scheint als eine Reihe von Verdauungsorganen. Deren Aufgabe ist es ja eher, Input in Scheiße zu verwandeln, und da drängt sich der Verdacht auf, dass sie das auch tun, bevor sie eine Meinung kundtun.
Aber mal im Ernst: Der Konflikt zwischen Gefühl und Verstand ist etwas, das mich schon lange nervt, alleine schon deswegen, weil ich nicht glaube, dass er existiert. Zwar sagen oft Menschen, ihr Gefühl (oder „ihr Bauch“) würde ihnen etwas mitteilen...aber was meinen sie denn damit wirklich? Gefühle sind Liebe, Hass, Neid, Eifersucht, Gier, Zuneigung, Trauer, Freude, und so weiter. Die sagen mir nichts, die sind einfach da. (Und, nebenbei bemerkt, Folge meines Denkens, kommen direkt aus dem Hirn.)
„Gefühl“ hat zwei Bedeutungen, die man nicht verwechseln darf: Emotion und Inspiration. Wenn einem das Gefühl etwas sagt, dann ist es die Inspiration; nur allzu oft erlebte ich es schon, dass jemand mir gegenüber versuchte, seine Inspiration als Argument anzuführen; und wenn mein Verstand sich weigerte, dies anzuerkennen, gab es Kommentare, die meine emotionalen Kompetenzen anzweifelten. Als ob das eine etwas mit dem anderen zu tun hätte. Denn Inspiration kommt nicht aus der Emotion, sondern aus dem Verstand. Inspiration (es sei denn, man glaubt wirklich an Musen) muss als Ergebnis eines unterbewussten Denkens betrachtet werden, wobei das Gehirn dem Bewusstsein nicht einen Denkprozess, sondern nur dessen Ergebnis präsentiert. Und unter anderem deswegen taugt Inspiration nicht als Argument: wenn man nicht den Gedankengang, der zu diesem Ergebnis führte, aufzeigen kann, wie soll man da beurteilen, ob er korrekt ist?
Wobei ich nicht im Geringsten den Wert der Inspiration schmälern will; er liegt nur auf einem völlig anderem Gebiet als dem der Argumentation. Inspiration trug schon zu einer Unmenge richtiger und bedeutender Problemlösungen bei; aber nicht etwa, weil sie per se richtig liegt, sondern nur, weil sie das doch zumindest oft genug tut, um aus einer Vielzahl potentieller Lösungen mit ihrer Hilfe schnell auszusondieren, welche am vielversprechendsten sind; und diese dann in Erwägung zu ziehen und zu überprüfen. Der Mensch sammelt im Laufe seines Lebens mehr Erfahrungswerte, als ihm überhaupt bewusst ist, aber in Form von „Inspiration“ melden sie sich dann doch hin und wieder. Auf den richtigen Umgang mit ihnen kommt es an. Man kann ihnen einerseits blind vertrauen, oder sie einfach als Vorschlag betrachten, und diesen in näheren Augenschein nehmen.
Aber nicht so tun, als ob es etwas wäre, das man als Argument benutzen kann, denn das würde nichts anderes bedeuten, als von seinem Zuhörer dieses blinde Vertrauen zu verlangen. Und „Vertraue mir!“ ist nun wirklich kein Argument...

Donnerstag, 11. November 2010

Simon Singh

Ich will hier nur schnell eine Nachricht weitergeben, die ich eben über mein Lieblings-Blog Pharyngula erfuhr. Simon Singh, der bekannte Wissenschaftsautor, bittet um Unterschriften für eine Petition um ein sinnvolleres britisches Gesetz zur üblen Nachrede. Insbesondere nicht unwichtig, da das dortige Recht Klagen gegenüber jeden erlaubt, der im Internet schreibt, in welchem Land auch immer. Und da einer meiner ersten Einträge hier sich schon mit dem Thema beschäftigte, folge ich dem Wunsch gerne, ebenso wie dem, diesen Wunsch auch weiterzuverbreiten...

Sonntag, 7. November 2010

Denken und Werbefernsehen

Schade, dass so viele Leute beim Fernsehen wild durch die Gegend zappen oder den Ton abdrehen, sobald ein Werbeblock kommt. Schließlich glaubt ja keiner von denen, dass ihm durch einen Werbespot die Wahrheit verkündet wird, ganz im Gegenteil. Sie erwarten Lügen. Weil die Werbung sich nun aber an eine ganze Reihe von Vorschriften zu halten hat, was sie sagen darf und was nicht, versuchen Werbespotautoren ständig, Eindrücke zu erwecken, die aber nicht explizit angesprochen werden. Im Grunde die schönste Übung für das kritische Denken, zu analysieren, wo die Diskrepanz zwischen dem Angedeuteten und dem wirklich gesagten ist. Und das lässt man sich entgehen! Mir ging es jedenfalls in meiner Kindheit schon so, dass ich die TV- und sonstige Werbung als ein angenehmes und nützliches Trainingsfeld für meinen Geist sah; die meisten Menschen, die ich kenne, sehen sich kaum Fernsehwerbung an und sind stolz darauf; und nehmen sich dabei aber dennoch heraus, sie als saublöd und verlogen zu verurteilen. Das ist sie auch in meinen Augen, aber mal ehrlich: Etwas zu beurteilen, ohne sich ein Bild gemacht zu haben, ist in jedem Fall ein Vorurteil, auch wenn man zufällig richtig liegt.
Was nun die Übung für den Geist angeht, das erste, woran ich mich da erinnern kann, ist der Spruch von Milky Way: „So locker und leicht, schwimmt sogar in Milch“. Eine Menge Luftbläschen, die das Volumen erhöhen, und dafür zahlt man natürlich gerne. Und dann die Assoziation mit etwas gesundem, da es in Milch schwimmt, nicht etwa in Wasser.
Gerade vorhin kam ein Alpecin-Werbespot, den ich schon lange besonders albern finde. Ein Mann im weißen Kittel (deutet wissenschaftlich an!) zeigt auf einer Graphik, wie Alpecin die Wachstumsphasen des Haares verlängert; die Kurve wird dabei in die Breite gezogen, und die Wachstumsphasen, die aufgezeigt werden, tatsächlich länger. Aber eben leider auch die Phasen dazwischen, der Anteil dieser „Wachstumsphasen“ (sollte es solche tatsächlich geben) bleibt insgesamt gleich.
Großartig ist auch dieses Wasser, „Active O2“, mit dem „18-fachen Gehalt an Sauerstoff“. Den 18-fachen Gehalt wovon? Von normalem Wasser? Das ist nach wie vor H2O...per Definition, und das wird immer so bleiben. Wahrscheinlich meint da irgendwer, dass 18 mal so viel Sauerstoff darin gelöst ist, wie in irgendeiner Vergleichsflüssigkeit. Aber was soll es? Ich bevorzuge den Sauerstoff in meiner Lunge zu haben, nicht im Magen.
Leute, schaut Werbung. Ihr findet sie alle Scheiße, also besteht ja keine Gefahr, dass ihr deren Lügen glaubt, oder? Analysiert sie, merkt euch, mit welchen Tricks sie arbeitet. Verinnerlicht sie. Und dann fangt an, all die Aussagen, bei denen ihr nicht von Vorneherein davon ausgeht, dass sie Lug und Trug sind, daraufhin zu überprüfen, ob sie mit den gleichen Tricks arbeiten. Das geschieht öfter, als die meisten denken...