Montag, 26. April 2010

Es ist ein Kreuz...

Heute morgen fiel mein Blick, was er glücklicherweise nicht all zu oft tut, auf die Schlagzeile der Morgenpost. Eine Politikerin, Aygül Özkan, sprach sich dagegen aus, Kruzifixe in staatlichen Schulen aufzuhängen. Mit anderen Worten, eine Äußerung über eine reine Formalität ist eine Titelseite wert. Zeigt mir nur mal wieder, wie leicht es doch ist, Religionsanhängern auf den Schlips zu treten, indem man auch nur die zarteste Andeutung von sich gibt, sie könnten in irgendeiner Weise mit ihren Lehren nicht 100 % im Recht sein.

Ich ahnte schon fast den Wortlaut des Kommentars, der früher oder später von irgendeinem Politiker, der eine andere Meinung vertritt, kommen musste...vielleicht habe ich diese Art der Reaktion einfach schon zu oft gehört, um dies nicht zu tun. Originell sind die jedenfalls nicht:

Auch ihr Mentor Christian Wulff distanzierte sich von der 38-Jährigen. "In Niedersachsen werden christliche Symbole, insbesondere Kreuze in den Schulen, seitens der Landesregierung im Sinne einer toleranten Erziehung auf Grundlage christlicher Werte begrüßt", so der CDU-Mann.

Diese leere Worthülse der „christlichen Werte“: Hat jemals ein Politiker diese definiert? Ich bin mir sicher, dass da nur eine gezielte Auswahl genannt würde, Dinge über andere Wangen und erste Steine gehören nicht unbedingt zum Repertoire eines Politikers im Umgang mit seinen Kollegen oder dem Volk. Und auch das mit dem Nadelöhr hatte meines Wissens noch keinen nennenswerten Einfluss auf Steuer- und Subventionsgesetzgebung. Und ist nicht die strikte Trennung von Kirche und Staat auch schon im Neuen Testament vorgeschrieben?

So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!

Ganz abgesehen davon, dass es keine speziell christlichen Werte gibt, die sowohl akzeptabel sind, als auch im Christentum ihren Ursprung haben, und davon, dass es so einige gibt, vor denen es mich nur grausen kann (wie etwa die kritiklose Ergebenheit an unbelegte Glaubenssätze, die auch noch in sich widersprüchlich sind), wenn jemand wirklich mit diesen ominösen christlichen Werten argumentieren will, dann sollte er dazu stehen, dass diese für das Kruzifixverbot an staatlichen Schulen eintreten. Wer das nicht tut, ist, um weiter im Neuen Testament zu verbleiben, ein Pharisäer.

Ich denke, was ich am wenigsten an allen „heiligen“ Schriften ausstehen kann, ist, dass Demagogen sich so leicht auf sie berufen können, weil weder sie noch ihre gläubigen Zuhörer sie je gelesen haben und nicht wissen, was drin steht. Was man auch haben will, einfach mal sagen, die Bibel, sonst eine Schrift, Gott oder der Große Kürbis wollen es so. Schaut keiner nach.

Mit Verlaub, fast alle meckern so gerne über die Politiker...warum machen sie es ihnen dann so einfach?


Sonntag, 25. April 2010

Interpretationen

Ich verstehe nicht, warum so viele Menschen von Dingen überzeugt sind, aus keinem anderen Grund, als dass sie eine persönliche Wahrnehmung gemacht haben. Homöopathie hilft, mein Schnupfen ging vorüber. Ich spüre mit meinen Händen die Energie der Pyramide. Die Vorhersage der Tarotkarten ist eingetroffen. Und so weiter...
Man kann nichts wahrnehmen, ohne zu interpretieren, und wo die Wissenschaft versucht, mit strengen Kontrollen Interpretationen zu überprüfen, da geht in der freien Wildbahn die Phantasie mit den Menschen durch. Eine kleine Lektion, wie die Interpretation einen täuschen kann; wie das, was man wahrzunehmen glaubt von dem abweichen kann was man wirklich wahrnimmt und was real ist, demonstriert von dem großartigen Duo Penn & Teller.

Montag, 19. April 2010

Krank

Bin *schnief!* zu erkältet, um mich hier noch sinnvoll auszulasssen. Eine Menge neue Dinge sind in Arbeit, aber ich habe abends nicht mehr die nötige Konzentrationsfähigkeit für dieses Blog. Gönne mir ein paar Tage Ruhe, aber hier noch schnell ein gezeichneter Kommentar, mit dem ich mal ein anderes Blog begann, in dem es um Zeichnung geht. Passt hier aber auch rein.

Freitag, 16. April 2010

Manchmal gewinnen die Guten

Es scheint in Deutschland weit weniger die Runde gemacht zu haben als in England, aber der Wissenschaftsautor Simon Singh hatte einen harten Rechtsstreit gegen die Britische Chiropraktiker-Vereinigung auszustehen, der sich über lange Monate hinwegzog. Wenn Wissenschaft gegen Pseudowissenschaft steht, dann kann man sich denken, wo meine Sympathien liegen. Sehr überraschend brachte die BBC nun eine Meldung, die meine Titelzeile rechtfertigt: Ab und zu siegt doch das Gute, wie schlimm es auch in der Welt im großen und ganzen zugehen mag!
Allerdings steht der britischen Justiz ja noch eine viel wesentlichere Aufgabe bevor...

Mittwoch, 14. April 2010

Warum „Doppelblindversuch“?

Warum heißt dieses Blog „Doppelblindversuch“? Jedenfalls steht der Name symbolisch für die Idee dahinter. Eine Erklärung des Begriffs Doppelblindversuch sollte gleichzeitig auch ausreichend begründen, warum ich diesen Titel gewählt habe. Wissenschaftliche Experimente versuchen so gut wie möglich einzelne Faktoren, die einen Einfluss auf das Ergebnis haben könnten, zu isolieren. Nur so lässt sich feststellen, welcher von ihnen der tatsächliche Auslöser eines messbaren Effektes ist.
Ein nicht zu vernachlässigender dieser Faktoren besteht in allen am Experiment beteiligten Personen. Auch ohne dass bewusste Manipulation im Spiel sein muss; jeder Mensch hat Vorurteile, die einer Wahrheitsfindung nur im Wege stehen können. Und wie lässt sich dieser Einfluss ausschalten? Durch „Verblindung“, d. h. eine Erwartung aufgrund eines Vorurteils wird unterbunden, indem verborgen bleibt, was man im Einzelnen untersucht.
Besonders wichtig ist das natürlich auf Gebieten, in denen jede Beurteilung Ermessensfrage ist, objektive Messung im Grunde unmöglich, wie in der Medizin: Wie sollte man messen, wie sehr es einem Patienten besser oder schlechter geht?
Dort ist der Doppelblindversuch Standart: Zwei Patientengruppen bekommen verschiedene Medikamente (oder eine ein Medikament, die andere einen Placebo), und weder Patienten, noch Experimentatoren wissen, in welcher Gruppe sich ein einzelner Patient befindet. Das wird erst offenbart und den Untersuchungsergebnissen zugeordnet, nachdem alle Daten erhoben wurden. Dadurch wird der Doppelblindversuch zu einem der größten Feinde der Esoteriker, Parawissenschaftler und Geschäftemachern, die mit wilden Behauptungen um sich werfen: Er verhindert effizient, etwas anscheinend zu messen, das in Wahrheit gar nicht vorhanden ist.
Und wenn jemandem die normalerweise von genannten Personengruppen gemachten Aussagen schon wie die Ausgeburten einer kranken Phantasie erscheinen (wie mir), so gibt es noch eine Steigerung:
Die an einzelnen Haaren herbeigezogenen Ausreden, die Täuschungsmanöver und Ausflüchte, die kommen, wenn man diese Menschen mit den Ergebnissen von Doppelblindversuchen konfrontiert, die ihre Worte Lügen strafen. Es läuft immer auf das gleiche hinaus, der von ihnen behauptete Effekt sei mir dieser Methode nicht zu messen. Stimmt auch...weil er nicht da ist. Aber sie sagen nach wie vor, er existiert. Ohne Begründung, warum er diesem Messverfahren entgeht. Und ohne Erklärung, woher SIE denn wissen, dass da etwas ist. Denn alles, was sie als Beleg anführen können, sind weit fehleranfälligere Verfahren, oft bis hin zum „Ich spüre das!“. Mutet das nicht kindisch an, wenn man mit etwas konfrontiert wird, das weiter und weiter zu verschwinden scheint, je näher man es mustert, dann nur noch überzeugter zu sein, es wäre da?
Die Liste der Techniken und Lehren, die sich bei Anwendung vorurteilausschließender Methoden nie bestätigen ließen, ist fast endlos: Feng Shui, Wünschelrutenlaufen, Homöopathie, Schüssler-Salze, Kinesiologie, Astrologie, Pendeln, Wahrsagerei...und immer gibt es nur Ausreden als Folge. Ich betone: Niemals eine schlüssige Erklärung, die nicht noch absurder ist, als die ursprüngliche Behauptung an sich.
Einmal haben Homöopathen selber einen Doppelblindversuch durchgeführt. Und selbst die brachten es nicht fertig, ein für die Homöopathie positives Ergebnis zu erzielen. Die Vergleichsplacebos führten zu den gleichen Resultaten wie die homöopathischen Präparate. Normale Menschen schließen daraus, dass die Homöopathie nichts zu bieten hat, außer eine Placebowirkung. Homöopathen schlossen daraus, dass sie eine neue Eigenschaft ihrer Mittelchen entdeckt haben. Dass sie auch bei den Leuten angeschlagen haben, die sie gar nicht eingenommen hatten, weil sie sich in einer Vergleichsgruppe zu den homöopathisch behandelten befanden!
So ähnliche Gedankengänge hatte ich auch schon...als ich drei Jahre alt war. Spätestens mit fünf sollte man so etwas allerdings ablegen.
Deswegen also „Doppelblindversuch“; nicht, weil ich meine bescheidenen Leistungen mit denen dieses Verfahrens vergleichen will. Sondern als Ehrerbietung an ein geniales Konzept. Simpel, schlicht, leicht nachvollziehbar und doch so Wirkungsvoll.

Lebensfreude antwortet

Lebensfreude Messen sendete mir heute eine erste Antwort auf mein Schreiben. Noch nichts bedeutsames, denn auf inhaltliche Fragen wird da noch nicht eingegangen. Nichtsdestotrotz ein positives Zeichen, dass Hoffnung weckt, bald mehr zu hören.
Sehr geehrter Herr Hartmann,


vielen Dank für Ihr Schreiben vom 08.04.2010.

Die Namen Stelzl und Schmidt wurden dank Ihres Hinweises mittlerweile
korrigiert.

Wir bitten um Ihr Verständnis, dass die Beantwortung der vielen weiteren
Fragen etwas dauern wird
und melden uns in den nächsten Tagen bei Ihnen.

Liebe Grüße

Ines Clausen
Projektmanagement

Montag, 12. April 2010

Eine Pressemeldung

Ich wundere mich immer wieder, was für irrwitzige Behauptungen manche Menschen anstelle von Argumenten akzeptieren. Aber seit es dieses Blog gibt, habe ich noch nichts gefunden, das derart intensiv zum Misstrauen auffordert, wie diese CNN-Meldung. Kann da denn irgendjemand anders reagieren, als sich zu fragen, ob da nicht vielleicht doch ein heimlicher Hintergedanke im Spiel sein könnte...?
Hartford, Connecticut (CNN) -- A bill in Connecticut's legislature that would remove the statute of limitations on child sexual abuse cases has sparked a fervent response from the state's Roman Catholic bishops, who released a letter to parishioners Saturday imploring them to oppose the measure.
Under current Connecticut law, sexual abuse victims have 30 years past their 18th birthday to file a lawsuit. The proposed change to the law would rescind that statute of limitations.
The proposed change to the law would put "all Church institutions, including your parish, at risk," says the letter, which was signed by Connecticut's three Roman Catholic bishops.
Also: Würde die Verjährungsfrist für den sexuellen Missbrauch von Kindern abgeschafft, würde das alle kirchlichen Institutionen gefährden...?
Das schlimme ist, je länger ich darüber nachdenke, desto mehr kommt es mir wie die Wahrheit vor. Nur, mir scheint das mehr ein Grund für die Abschaffung der Verjährungsfrist zu sein, als dagegen zu sprechen.

Sonntag, 11. April 2010

Akupunkturpunktmessung

Hier ist ein bekanntes kleines Experiment:
Man bekommt folgende vier Karten vorgelegt, und dazu gesagt: Jede Karte hat auf einer Seite eine Ziffer und auf einer einen Buchstaben. Ich behaupte, wenn auf einer Karte ein Vokal ist, befindet sich auf der gegenüberliegenden Seite eine gerade Zahl.Nun darf man zwei Karten umdrehen, und soll diese möglichst gut auswählen, um die Behauptung zu überprüfen.
Jeder Leser darf sich nun Gedanken dazu machen, ich berichte erstmal weiter von der Lebensfreude Messe. Ich wurde von einem Herrn an einem kleinen Stand angesprochen. Dort gab es zwei kleine Tische mit je einem Stuhl davor und dahinter, und ein für mich unidentifizierbares technisches Gerät auf jedem Tisch.
Der Mann bot mir an, eine kostenlose Messung des elektrischen Potentials an einem Akupunkturpunkt durchzuführen. Damit soll festzustellen sein, in welchem Gesundheitszustand verschiedene Organe sind, die über Meridiane mit diesem Akupunkturpunkt verbunden sind. Ich stellte mich dumm, und fragte, was ich mir unter einem elektrischen Potential denn vorstellen solle, und bekam erklärt, dass dieses durch den Körper, durch jede einzelne Zelle fließt. Ich fragte, ob das nicht einfach ein elektrischer Impuls ist, also ein Nervensignal. Nein, das wäre etwas anderes. Dann ging es um die Frage: Wenn jede Zelle ein solches Potential hat, und man die Sonde auf der Haut ansetzt, woher weiß man dann, dass man nicht das elektrische Potential der Hautzellen an dieser Stelle misst, statt die Auswirkung irgendwelcher Meridiane (die wissenschaftlich nicht nachgewiesen und, milde ausgedrückt, sehr unwahrscheinlich sind). Die Antwort lautete nur: Man misst nicht auf der Haut, sondern am Akupunkturpunkt.
Mit mehrmaligen Versuchen, zu erklären, dass der Akupunkturpunkt Bestandteil der Haut ist, kam ich nicht weiter; aber immerhin erfuhr ich, dass eine Messung an jedem anderen Punkt der Haut nicht möglich wäre, da ja nicht die Haut gemessen wird, sondern nur der Akupunkturpunkt.
Und das war genau das, worauf ich gewartet hatte: Eine an Ort und Stelle überprüfbare Aussage! Als der Herr mir daraufhin erneut das Angebot einer kostenfreien Messung dieser Art machte, konnte ich sagen: „Okay, ich schlage folgendes vor: Da ich nicht glaube, dass das funktioniert, machen wir jetzt zwei Messungen. Eine an dem von Ihnen genannten Akupunkturpunkt, eine an einer Hautstelle, die ich bestimme.“
Ich paraphrasiere den nun folgenden Dialog:
„Nein, das mache ich nicht.“
„Warum denn nicht?“
„Das gibt keinen Sinn, da kommt nichts raus.“
„Inwiefern kommt da nichts raus?“
„Da kann man gar nichts messen.“
„Genau darum geht es mir; wenn Ihr Gerät am Akupunkturpunkt etwas misst, woanders nicht, dann zeigt das, dass die Technik funktioniert.“
„Da muss ich nichts messen, ich weiß, dass da nichts passiert.“
„Aber ich weiß das nicht, und sie könnten es mir beweisen.“
„Das ist sinnlos, da was messen zu wollen.“
„Nun, der Sinn wäre, mir genau dies zu demonstrieren. Ich glaube nicht, dass Ihre Methode funktioniert. Aber wenn Sie mir jetzt vorführen, dass Sie ein elektrisches Potential an einem Akupunkturpunkt messen können, und an einer anderen Hautstelle nicht, dann werde ich glauben, dass da was dran ist.“
„Das ist Sinnlos.“
„Der Sinn wäre es, mich zu überzeugen.“
„Ich muss hier nichts vorführen! Gehen Sie zu Ihrem Heilpraktiker, da können Sie das gerne ausprobieren. Es gibt genug Heilpraktiker, die so ein Gerät haben.“
Im Folgenden versuchte ich noch herauszubekommen, mit wem ich eigentlich gesprochen habe, aber auf alle Fragen nach Namen der Firma oder wo sie ansässig sei bekam ich nur ausweichende Antworten, das wäre gar nicht nötig zu wissen, ich solle mich an Hamburger Heilpraktiker wenden.An dem Stand selber war nichts diesbezüglich konkret auszumachen. Es gab ein Logo mit der Buchstabenkombination „EST“, aber nichts eindeutiges, wofür sie steht. Eine Aufschrift „LedMag-1500“, anscheinend das Testgerät, von dessen Kauf oder auch nur seiner Verwendung ich nun nur abraten kann. Und die Technik selber wurde im Gespräch als „Messung nach Dr. Voll“ bezeichnet, aufgrund der beharrlichen Weigerung, sie zu demonstrieren, vermute ich, dass sie etwa so viel taugt wie eine massive Granit-Schwimmweste. Bei vorsichtigster Betrachtung muss man jedenfalls davon ausgehen, dass bis zum Beweis des Gegenteils hier von einem Angebot auszugehen ist, das einem für viel Geld nichts bietet, als einem Sand in die Augen zu streuen.
Und jetzt erkläre ich das Experiment am Beginn dieses Berichtes. Hier sind die Karten inklusive ihrer, darunter abgebildeten, Rückseiten:Viele Menschen entscheiden sich, die erste und die dritte Karte von links umzudrehen. Die Zweite Karte umzudrehen ist offensichtlich sinnlos, man sieht einen Konsonanten, und die zu überprüfende Aussage (eine Karte mit Vokal auf der einen Seite hat auf der anderen Seite eine gerade Zahl) kann sich gar nicht darauf beziehen. Die dritte Karte ist für den Test geeignet, würde man sie umdrehen und eine ungerade Zahl sehen, wäre die Aussage widerlegt, ansonsten hätte man zumindest ein Beispiel für die Gültigkeit. Die Wahl zwischen der ersten und der letzten Karte ist der Knackpunkt, die beiden anderen Karten dienen nur dazu, es nicht allzu durchsichtig zu machen, worum es geht. Mit der ersten Karte lässt sich die Aussage gar nicht überprüfen, denn diese besagt nicht, dass NUR ein Vokal von einer geraden Zahl begleitet werden darf. Sie umzudrehen erhöht meinen Informationsstand diesbezüglich nicht, bestenfalls komme ich zu einem weiteren Beispiel, das sich nach der Regel zu richten scheint. Aber die vierte Karte, die bietet den wahren Test dafür. Darauf ist eine ungerade Zahl, also darf dort eigentlich kein Vokal auf der Rückseite stehen. Und trotzdem entscheiden sich mehr Leute für die erste als für die vierte Karte.
Warum ist das so? Ich vermute, weil Menschen mehr dazu tendieren, Bestätigung als Widerlegung zu suchen. Und weil viele die Vorstellung haben, eine genügend hohe Anzahl von Beispielen belegt eine Regel; dabei ist die Abwesenheit von Gegenbeispielen das viel wichtigere Kriterium. Anscheinend ist das nicht jedem klar, sie denken, dass Ausnahmen wenig besagen, da sie die Regel bestätigen. Falsch. Tun sie nicht. Taten sie nie und werden es nie tun. Und wer, wie ich, diesen alten Spruch schon viel zu oft gehört hat, der sollte sich seine Herkunft vor Augen halten:
Die Ausnahme bestätigt die Regel:
Abgeleitet vom lateinischen exceptio probat regulam in casibus non exceptis („Die Ausnahme bestätigt die Regel in den nicht ausgenommenen Fällen.“). Verwendet in Ciceros Verteidigung Lucius Cernelius Balbus Maiors, in welcher Cicero argumentierte, wenn eine Ausnahme eine Handlung illegal mache, sei diese Handlung in den Fällen, die nicht von der Ausnahme betroffen sind, als gesetzlich zu bewerten.
Jedenfalls führte man mir genau dieses Phänomen auf der Messe vor: Völlige, sogar schon fast aufdringliche, Bereitschaft zum Vorführen eines Beispiels, aber strikte Ablehnung eines wirklichen Tests, der zu einem Gegenbeispiel führen könnte. Ob das in obigem Fall nun daran lag, dass der Messeteilnehmer wirklich keinen Sinn in so einem Versuch erkennen konnte, oder er sehr wohl wusste, was passieren würde, das sei dahingestellt. Entscheidend ist vielmehr, dass die Besucher einer Esoterikmesse sich offenbar in der Regel mit dem Vorführen von sorgfältig selektierten Beispielen zufrieden geben, statt kritisch zu hinterfragen.

Lebensfreude Wasser auf der Lebensfreude Messe

Nun will ich mal beginnen, meine Erlebnisse auf der Lebensfreude Messe zu schildern. Vielleicht zum Anfang ein paar Worte dazu, wie man mit mir umging. Sehr höflich, wie ich bereits schrieb. Ich deutete das als ein gutes Zeichen in Richtung: Die Menschen dort sind wirklich von ihren Angeboten überzeugt. Eine kluge Frage einer Freundin lässt mich nun auch wieder in Zweifel geraten...(ja, ich schwanke hin und her, aber das ist mein Prinzip: eine Meinung stets als vorläufig aufzufassen, um sie neugewonnener Information anzupassen). Sie fragte mich, was denn die Aussteller über mich dachten, insbesondere, ob sie mich vielleicht für einen Journalisten hielten. Da fiel mir erst auf, dass ich immer wieder gefragt wurde, was ich denn von Beruf sei, sobald es ans Eingemachte ging. Haben die Angst vor Journalisten mit kritischen Fragen?
Wie dem auch sei, ich erzähle nun vom Stand des Lebensfreude Wassers.
Als ich das erste mal diesen Stand im Foyer des Veranstaltungsortes sah, war ich zunächst überrascht, wie schlicht und simpel er aufgebaut war. Ein Tisch an der Wand, darauf einige laminierte Bögen Papier, überwiegend mit den Texten der Website gefüllt. Und ein Stapel Wasserkartons, etwa acht bis zehn. Keine großen Tafeln, keine Broschüren oder Flyer zum mitnehmen, vielleicht der schlichteste, um nicht zu sagen amateurhafteste Stand der ganzen Messe. Der ausgerechnet das Produkt des Messeveranstalters anbietet. So unscheinbar, dass ich beim ersten vorbeigehen ihn gar nicht bemerkte. Wohlgemerkt, nicht nur nicht identifizierte, sondern gar nicht bemerkte. Es sah einfach nicht nach einem Messestand aus.
Ein junger Mann stand dort herum und schien zu dem Stand zu gehören, und als ich näher an den Tisch trat und einen Blick auf die Unterlagen dort warf, sprach er mich an, was in meiner Absicht lag. Es erweckt einen harmloseren Eindruck, wenn man derjenige ist, der angesprochen wird, und nicht der, der die Initiative ergreift. So konnte ich einige Fragen zum Aufwärmen Stellen: Wo denn diese Quelle eigentlich ist und ähnliches.
Auf diese Fragen bekam ich auch Antworten, aber viele kamen dann nicht mehr. So fiel mir zum Beispiel eine Tabelle auf, die ich noch nicht kannte, und mit der ich rein gar nichts anfangen konnte, weil die Beschriftung der y-Achse unleserlich klein war, die x-Achse überhaupt nicht beschriftet. Da konnte der Junge Mann mir auch nicht weiterhelfen, er verwies mich auf einen Herrn Landschulze, der eine halbe Stunde später wieder am Stand sein sollte. Dann fragte ich noch nach der Bedeutung der Abkürzung TDS im dort ausliegenden Text:
Eine wichtige Aufgabe von Wasser ist auch, den Körper von Schadstoffen frei zu spülen und Ablagerungen heraus zu transportieren. Diese Aufgabe kann Wasser am besten erfüllen, wenn es wenige Mineralien enthält. Lebensfreude WASSER zeichnet sich durch einen geringen Anteil an gelösten Mineralien (130 TDS) aus. Es ist insbesondere sehr natriumarm
Das konnte er mir auch nicht beantworten und ebenso wenig, wie hoch der Natriumgehalt ist; letzteres ergab sich dann noch bei meinem zweiten Besuch des Standes, da schaute er auf der Packung nach. Ich wurde erneut auf Herrn Landschulze verwiesen, aber die Frage nach den TDS schien in seinem Kopf immer noch herumzukreisen, er blickte auf den Text und sagte mir, es handelt sich um eine Abkürzung für „Tausend“.
Ich verabschiedete mich mit dem Hinweis, ich würde vielleicht später noch einmal vorbeischauen und ging; sprach mit einigen weiteren Ausstellern, worüber ich ein andermal berichten werde, und kam etwa eine Stunde später wieder vorbei.
Inzwischen war Herr Landschulze anwesend. Dieser versicherte mir, sich Jahrelang mit dem Thema Wasser beschäftigt zu haben, also schien er mein richtiger Ansprechpartner. Die Abwesenheit der x-Achsenbeschriftung der Tabelle erklärte er mir damit, dass der Text nicht mehr auf die Seite gepasst hätte, die fehlenden Angaben sind die Wasserquellen, auf die sich die einzelnen Spalten beziehen. Sogar ich war dann allerdings erstaunt, dass keine der Spalten für das dort angebotene Wasser stand.
Ich sprach ihn auf das „TDS“ an, und er wusste, dass es die Abkürzung für total dissolved solids war, aber anscheinend auch nicht so recht, was diese Abkürzung wirklich bedeutet. Jedenfalls war es nötig, ihn darauf aufmerksam zu machen, dass keine Maßeinheit in dem Begriff enthalten ist, so dass die Zahl davor keinen Sinn gibt.
Schließlich fragte ich nach diesem Passus
Das Lebensfreude WASSER reagierte auf 181 von 200 verwendeten Frequenzwerten im Bereich von 0,5 bis 100 Hertz. Es hat damit ein sehr breites Wirkungsspektrum, das das Wohlbefinden steigern und eventuelle Befindlichkeitsstörungen reduzieren, oder sogar beheben kann
und ob er mir Vergleichswerte nennen kann. Was zum Beispiel ein Wert für Leitungswasser wäre. Er sagte, den wüsste er nicht. Und als ich dann fragte, ob der Wert also alles mögliche sein könnte, zum Beispiel 10, oder auch 195, bekam ich zur Antwort: Das kann schon sein...aber wohl eher 10. Um das noch mal ganz klar zu sagen: Er behauptete, eine Reaktion auf viele Frequenzen würde positive Eigenschaften von Wasser belegen, sein Wasser würde auf viele reagieren, wäre folglich sehr gut; aber er weiß nicht wirklich, ob Leitungswasser schlechter oder besser abschneiden würde.
An dieser Stelle offenbarte ich mich als der Absender der neulich hier veröffentlichten mail und überreichte ihm einen Ausdruck. Er sah sie, sagte, er hätte davon gehört, und es ergab sich ein etwas durcheinander laufendes Hin und Her von Argumenten, die ich selber nicht mehr aus dem Gedächtnis nachvollziehen kann. Aber auf mehrmaliges Anfragen meinerseits, wer er denn eigentlich ist, welche Funktion er innehat, bekam ich nur ausweichende Antworten. Er gab sich alle Mühe, alle Aussagen zu vermeiden, die in irgendeiner Form als offizielle Stellungnahme einer Firma interpretiert werden könnten. Jedenfalls wurde mir versichert, ich würde auf meine mail ein Antwortschreiben erhalten.
Dann verließ ich die Messe. Leider muss ich gestehen, dass meine Vorbereitungen für den Tag zu wünschen übrig ließen, denn erst Stunden später fand ich auf der Veranstalterwebsite folgende Vortragsankündigung der Lebensfreude Messe Kiel im Oktober 2009:
Raum 3 Peter Landschulze Lebensfreude zum Trinken - das neue Lebensfreude-Wasser – Trink Dich Frisch!
Wenn es sich bei dem hier genannten Herrn Landschulze um den gleichen handelt, und dafür spräche doch einiges, so frage ich mich, was der in einem Vortrag dazu groß erzählen kann, wenn es ihm nicht gelang, mir gegenüber einen Vorteil zu Leitungswasser zu nennen. Das versuche ich noch herauszubekommen. Ebenso, ob es sich dabei um den Peter Landschulze handelt, der Geschäftsführer der AquaLife GmbH in Buchholz ist. Der Name dieser Firma lässt einen Bezug zu esoterischen Angeboten wie dem Lebensfreude Wasser zumindest zu. Aber auch da kann ich bis jetzt nur mutmaßen. Wie viele Peter Landschulzes mag es in Deutschland wohl geben...?

Samstag, 10. April 2010

Auf der Lebensfreude Messe

Heute begab ich mich auf die Lebensfreude Messe, was sicherlich Material für noch so manche Mitteilung hier liefert, sobald ich die Zeit dazu finde.
Doch hier und jetzt möchte ich erst mal nur einige wenige Feststellungen treffen.
Zunächst: ich klassifiziere Anbieter esoterischer Waren und Dienstleistungen ja als definitionsgemäß in einer der folgenden Gruppen:
1.) Angebote, die sinnvoll sind, obwohl ich nicht nachvollziehen kann, auf welche Weise sie das zustande bringen sollen.
2.) Angebote, die aus fester Überzeugung von ihrer Wirkung durch gutgläubige Händler und Dienstleister gemacht werden, welche zwar keinen Effekt haben, aber ohne dass es diesen Anbietern bewusst ist. Diese Anbieter wären dann zugleich Opfer und Täter des Esoterikmarktes.
3.) Angebote, von denen diejenigen, die sie verbreiten, genau wissen, dass sie Humbug sind; aber die aus rein finanziellen Gründen trotzdem auf dem Markt verbreitet werden.
Der Besuch auf dieser Messe weckte in mir den Eindruck, dass die zweite Gruppe weit größer ist, als ich bisher vermutete. Der Großteil der dort als Aussteller agierenden Gesprächspartner, auf die ich stieß, schien mir in diese Kategorie zu gehören. Und sie waren allesamt relativ Gesprächsbereit und höflich in der Reaktion auf meine bohrenden Fragen.
Insbesondere muss ich meine Meinung über die Vertretern des Lebensfreude Wassers korrigieren, von denen ich mir fast sicher war, dass sie in die Kategorie 3 gehören; alles, was ich dort wahrnahm erweckte den Eindruck, dass sie in die zweite Gruppe gehören, wenn die beiden Personen, mit denen ich sprach, repräsentativ sind.
Vor allem aber wurde ich veranlasst, meine Ansicht in einem konkreten Kritikpunkt zu ändern, und teilte das auch umgehend der Firma Lebensfreude Messen mit, in folgender e-mail:
Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich habe heute auf der Lebensfreude Messe mit einem Herrn über Ihr Wasser gesprochen, und auch wenn er zu den meisten meiner Fragen keine Antwort liefern konnte, so weckte er in einem Punkt zumindest meine Zweifel; ich überprüfte meine eigenen Informationen, und kam zu dem Schluss, dass ich mich betreffs artesischer Quellen wohl doch insofern im Unrecht befand, als dass diese tatsächlich existieren, und Wasser nicht nur in Brunnen artesisch an die Oberfläche tritt. Betrachten Sie die Frage nach der Herkunft aus Brunnen bzw. Quelle damit als überflüssig, ohne dass sich das auf meine Fragen in anderen Zusammenhängen auswirkt.

Mit freundlichen Grüßen, Herbert Hartmann

Meine sonstigen Fragen blieben aber unbeantwortet, und ich werde demnächst ausführlicheres berichten.

Licht, Kraft und Bundesverfassungsgericht

Von "Lebensfreude" kam noch keine Antwort, aber geben wir ihnen noch etwas Zeit. Ich hatte ja viele Fragen. Inzwischen verfasste ich ein weiteres Schreiben an eine Anbieterin esoterischer Verfahren, das weit kürzer und weniger in die Tiefe gehend ist; wobei der Flyer, der mir den Anlaß bot, auch genügend Material für ein ähnlich umfangreiches Werk geliefert hätte: "Licht Kraft Praxis für Gesundheitsförderung". Aber ich beschränkte mich hier auf den Bestandteil, der mir unter all dem dort abgedruckten noch am greifbarsten schien (gibt es irgendwo ein gutes Esoterisch-Deutsch Wörterbuch?). Ich meinen den rechtlich vorgeschriebenen Pflichthinweis im Flyer und auf de dazugehörigen Website:

Frau Meyer!

Als ich auf Ihren Flyer stieß wurde sofort meine Neugier geweckt, und ich würde diesbezüglich gerne einige Fragen an Sie richten. Doch bevor ich darauf zu sprechen komme, möchte ich sie auf eine Feststellung hinweisen, die ich zufällig traf. Auf Ihrem Flyer befand sich ein Adressaufkleber, der anscheinend eine ursprünglich gedruckte Adresse bedeckt, kein ungewöhnliches Vorgehen, wenn man umzieht. Aber ist Ihnen bewusst, dass auf Ihrer Website bei den Kontaktmöglichkeiten nach wie vor die alte Adresse und Telefonnummer angegeben ist?
Ich würde Ihnen doch sehr empfehlen, die Website diesbezüglich auf den neuesten Stand zu bringen.
Obwohl es mir natürlich egal sein könnte, ob potentielle Kunden Sie erreichen können, so scheint mir die Weitergabe dieses Hinweises an Sie doch ein Gebot der Höflichkeit. Das heißt...eigentlich ist es mir nicht egal. Genau genommen bin ich sogar sehr dagegen, dass Sie zu Kundschaft gelangen, da ich nicht im allergeringsten an die von Ihnen praktizierten Methoden glaube, und das auch nie verhehlen möchte.
Da ich andererseits aber auch keinen Grund sehe, zu zweifeln, dass Sie diesbezüglich eine feste Überzeugung haben, hoffe ich dennoch, dass Sie mir einige Fragen beantworten können.
Diese beziehen sich insbesondere auf die Rubrik „Pflichthinweis“ Ihrer Website. Mir scheint, dass fast alles, das unter dieser Überschrift zu finden ist, keineswegs Bestandteil eines solchen Pflichthinweises ist. Im Grunde ist es eine Lobrede auf die von Ihnen verwendeten Techniken, wobei der eigentliche Hinweis (dass Sie keinen Arzt ersetzen usw.) fast untergeht. Sehen Sie nicht die Gefahr, dass durch dieses Vorgehen die Absicht der entsprechenden Vorschriften unterwandert wird und gesetzliche Vorschriften verletzt werden? Die Aussage am Beginn, dass Sie keine Heilversprechen abgeben, könnte einem Leser Ihres Textes glatt entgehen, weil er im Folgenden mit diesen Worten konfrontiert wird: Selbstheilungskraft, Heilung, Heilen, Heilmethoden, Heilkräfte, ganzheitliche Heilung, Heilungsprozess, Heilungsfähigkeit, Wunderheilung...etc; alles bezogen auf Ihre Arbeit; ob die Heilung nun direkt physisch vollzogen wird, oder auf andere Weise: Heilung bleibt Heilung. Und ich kann aus Ihrem Text als ganzes beim besten Willen nicht herauslesen, dass Sie kein Heilversprechen abgeben (es sei denn, man versteht „Versprechen“ in diesem Zusammenhang im Sinne von „100%ige Garantie“, aber wer täte das schon?) Wie stehen Sie zu dieser Betrachtungsweise?
Außerdem fiel mir auf, dass Ihre Texte voller Kritikimmunisierung stecken. Mit anderen Worten, sie verlangen zum Verständnis Ihrer Behauptungen Voraussetzungen, die ein Kritiker per se nicht erfüllen kann. Zum Beispiel ein Verständnis für die Gegenwart Gottes, die ihrerseits unbelegbar ist. Sie behaupten also etwas, das Sie nicht beweisen können, und verlangen als Voraussetzung für ein Gegenargument den Beweis einer ebenso unbeweisbaren Tatsache? Erscheint Ihnen das fair?
Die Wissenschaft, die bei Ihnen eher schlecht abschneidet, hat da ein anderes Vorgehen: Wer etwas behauptet, muss es belegen. Ganz streng genommen geht Wissenschaft sogar so vor: Wenn man etwas glaubt, so hat man selber zunächst die Pflicht, die eigene Hypothese zu prüfen, indem man sie zu widerlegen trachtet. Und sich nicht gemütlich zurückzulehnen, auf seine Meinung zu bestehen und anderen den schwarzen Peter zuzuschieben.
Wir werden uns da wohl nicht einig werden, was die Wahrheit ist und was nicht; aber am Rande dieses Konfliktes steht eine Frage, die mich schon lange beschäftigt, und die ich wirklich gerne loswerden möchte:
Sie halten Phänomene für real, die viele andere nicht wahrnehmen können. Völlig neutral betrachtet, da keine Seite die andere überzeugen kann, bestehen dann zwei Möglichkeiten: Entweder die Wahrnehmung der anderen funktioniert nicht korrekt, oder die Ihrige. Und da Ihnen objektive Belege fehlen (denn dann hätte die „materiell orientierte Wissenschaft“ ja Zugriff darauf), was führt Sie zu der Überzeugung, dass es nicht Ihre Wahrnehmung ist, die Ihnen nicht existierendes vorgaukelt? Ich bekomme immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich mich dabei ertappe, eine Meinung zu haben ohne vorzeigbare Gründe auf Lager zu haben, und mache mich sofort auf die Suche nach Gründen für und gegen diese Meinung. Vor allem gegen, denn Gründe für ein Vorurteil kommen einem meist geradezu zugeflogen und müssen nicht groß gesucht werden. Haben Sie sich jemals gefragt, ob Sie im Irrtum sein könnten, oder ist Ihre Überzeugung so fest und unverrückbar, dass Sie sich sicher sind, kein Argument, auch keines, das Sie bis jetzt noch gar nicht kennen, könnte Sie umstimmen?
Zum Schluss noch eine Frage, die völlig unabhängig von allem ist, was Sie oder ich glauben: Sie geben an, das Bundesverfassungsgericht hätte das Geistige Heilen unter dem Aktenzeichen 1BvR 784-03 rechtlich anerkannt. (Ich fand es übrigens ungewohnt zuvorkommend, dieses Aktenzeichen anzugeben; es hätte mir vermutlich sonst viel Mühe bereitet, herauszubekommen, welches Urteil gemeint ist) Nach mehrmaligem Lesen dieses Dokuments konnte ich aber keinen Passus ausfindig machen, der Ihre Behauptung stützt. Mir scheint es hier lediglich darum zu gehen, die Frage zu beantworten, ob man dem Geistigen Heilen nachgehen darf, ohne über einen Heilpraktikerschein zu verfügen. Eine Aussage über das Geistige Heilen selbst im Sinne einer Anerkennung sehe ich darin nicht, und ich denke auch nicht, dass es zu den Aufgaben eines deutschen Gerichtes gehört, Heilmethoden anzuerkennen. Vielleicht könnten Sie diese Diskrepanz zwischen Ihrer Aussage und meiner Sichtweise klären, indem Sie mir sagen, als was das Geistige Heilen Ihrer Ansicht nach hier anerkannt wurde, und welche konkreten Formulierungen dies aussagen sollen.

Im übrigen möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass ich dieses Schreiben an Sie als offenen Brief betrachte, und ebenso jede Antwort Ihrerseits als zur Veröffentlichung freigegeben; es sei denn, natürlich, Sie würden dem ausdrücklich widersprechen.

Mit freundlichen Grüßen, Herbert Hartmann

Es gilt wieder: Ich bitte um Zurückhaltung im Urteil, bis eine Antwort kam, bzw ein ausreichend langer Zeitraum verstrichen ist, in dem auf meine Fragen hätte geantwortet werden können.
Link

Donnerstag, 8. April 2010

Lebensfreude und Kommerz

Vom 9. bis 11. April findet in Hamburg im CCH die Lebensfreude Frühjahrsmesse statt.
Ich bin sehr versucht, mich als Besucher dorthin zu begeben, denn aufgrund der Informationen, die ich der Lebensfreude Website entnehmen konnte, scheint sich dort der deutsche Esoterikmarkt hochkonzentriert zu präsentieren, was in meinen Augen einen nicht zu vernachlässigenden Unterhaltungswert verspricht. Wer wäre nicht neugierig darauf, was unter einem „Wellness-Schwert“, wie es ein Aussteller dort anbieten will, zu verstehen ist?
Leider kann das aber keine ungetrübte Unterhaltung darstellen, dazu nehme ich das Thema zu ernst. Was auch immer an esoterischen Produkten und Dienstleistungen angeboten wird, es muss in eine von drei Kategorien fallen:
1.) Angebote, die sinnvoll sind, obwohl ich nicht nachvollziehen kann, auf welche Weise sie das zustande bringen sollen.
2.) Angebote, die aus fester Überzeugung von ihrer Wirkung durch gutgläubige Händler und Dienstleister gemacht werden, welche zwar keinen Effekt haben, aber ohne dass es diesen Anbietern bewusst ist. Diese Anbieter wären dann zugleich Opfer und Täter des Esoterikmarktes.
3.) Angebote, von denen diejenigen, die sie verbreiten, genau wissen, dass sie Humbug sind; aber die aus rein finanziellen Gründen trotzdem auf dem Markt verbreitet werden.
Ich habe sehr den Eindruck, dass die beiden letztgenannten Kategorien den Großteil dessen ausmachen werden, was diese Messe zu bieten haben wird.
Da es mir im Vorfeld unmöglich ist, mich über die Unzahl von Anbietern ausführlich zu informieren, schaute ich mir ein Produkt, welches vom Veranstalter der Messe selber vertrieben wird, etwas näher an. Die erste der oben genannten Möglichkeiten kann ich für das Lebensfreudewasser (Link zur Website) nun mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließen.Der Text, der dort zur Beschreibung des Wassers veröffentlicht wurde, wirft bei mir nur Fragen auf.
(Nachträglich möchte ich meinen Eindruck revidieren, siehe diesen Post)
Es gibt eine Reihe von Techniken, die gerne benutzt werden, um esoterisches Gedankengut in der Öffentlichkeit positiv darzustellen. Zum Beispiel, sich auf Experten zu berufen (die jedoch häufig nur in Esoterikerkreisen als solche gelten, wer überprüft das schon?); Experten aus anderen Gebieten zu zitieren, die von der Materie auch nicht mehr Ahnung haben, als jeder x-beliebige Laie, von denen man sich aber erhofft, dass sie den Eindruck erwecken, sie würden als Fachleute der Esoterik sprechen (der gleiche Grund, warum immer wieder gerne Prominente in der Werbung eingesetzt werden); deplazierter Einsatz von Reizworten mit positiver Konnotation (je unnatürlicher eine Sache ist, desto lieber wird sie als „natürlich“ bezeichnet, und „ganzheitlich“ bedeutet in der Regel, dass fast alles, das die Menschheit an Fakten erfahren hat, ausgeklammert werden muss); die Verwendung von Worten und Formulierungen, die einfach ad hoc frei erfunden werden, bei näherer Betrachtung keinen Inhalt haben, und deswegen auch nicht widerlegbar sind. Und dann natürlich noch der gezielte Einsatz von weiteren Trugschlüssen, wie zum Beispiel des ad populum-Argumentes (ich habe Recht, weil so viele Leute meiner Meinung sind) oder des Arguments der negativen Konsequenz (wenn ich mich irre, wäre das unangenehm für uns alle, also irre ich mich nicht).
Ob und inwieweit bei der Vorstellung dieses Lebensfreude Wassers solche Methoden verwendet werden ist etwas, das jeder für sich selber entscheiden kann. Ich für meinen Teil fand eine Adresse, an die man Fragen richten soll, und schickte unten wiedergegebene Mail ab, in der ich die wichtigsten meiner Zweifelsgründe ansprach.

Meine Mail:

Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich bin sehr erfreut, auf Ihrer Homepage bei dem Angebot Ihres Lebensfreude Wassers eine Möglichkeit und Aufforderung zum Erfragen weiterer Details vorzufinden.
Insbesondere, da ich gleich offen zugeben will, dass ich äußerst skeptisch bin, was die beschriebenen Eigenschaften dieses Wassers betrifft. Aber genau deswegen schreibe ich Ihnen ja, um Ihnen die Möglichkeit zu geben, meine Zweifel aus der Welt zu schaffen.

Sie schreiben:
Mit Beginn der Entstehung der Alpen wurden die verschiedensten Gesteinsschichten über einen Zeitraum von etwa 100 Millionen Jahren mit intensiver Sonnenenergie aufgeladen. Daher rührt auch das aussergewöhnlich hohe Energieniveau des Lebensfreude WASSERs
Meine Fragen dazu:
Was habe ich hier unter „Energieniveau“ zu verstehen? Um welche Form von Energie soll es sich handeln, mit welcher Methode wird sie gemessen? Können Sie mir einen quantitativen Vergleich mit dem „Energieniveau“ anderer Wasser nennen? Und nicht zuletzt: Inwiefern spielt hier die Sonnenenergie eine Rolle, da doch die Sonne in den letzten 100 Millionen Jahren nicht ausschließlich auf die Alpen schien, sondern auf die ganze Erde, und im Schnitt, zumindest auf alle Orte ähnlicher geographischer Breite, vergleichbar intensiv? Mir scheint die Höhe der Alpen und die dadurch geringere Dicke der darüberliegenden Atmosphäre die einzige denkbare Interpretation. Können Sie mir dies bestätigen?

Sie schreiben:
Wer den Rhythmus des Wassers versteht, dem sollte bewusst sein, dass „reifes Wasser“ nur an besonderen Stellen der Erde freiwillig (artesisch) an die Erdoberfläche kommt. Lebensfreude WASSER ist ein reifes Wasser und es verfügt daher über alle natürlichen Eigenschaften, die es auf seinem langen Weg durch das Gestein und das Erdreich aufgenommen und gespeichert hat
Meine Fragen:
Statt einer näheren Erklärung beziehen Sie sich auf ein vorausgesetztes Verständnis für den „Rhythmus des Wassers“; darüber verfüge ich nicht, und habe auch nicht die geringste Vorstellung, was gemeint sein könnte. Was ist der „Rhythmus des Wassers“?
Desweiteren bin ich verwirrt durch die Verwendung des Begriffs „freiwillig“: Unterstellen Sie dem Wasser einen freien Willen? Und inwiefern kann von freiwillig die Rede sein, da in einem artesischen Brunnen das Wasser durch Druck nach dem Prinzip der kommunizierenden Gefäße zur Oberfläche gelangt? Mir scheint es nach den Gesetzen der Physik keine andere Wahl zu haben, also sehe ich nicht, wie dies freiwillig geschehen kann.
In diesem Zusammenhang möchte ich Sie bitten, auch folgendes klarzustellen: Soweit ich informiert bin, dringt Wasser artesisch nur in künstlich angelegten Brunnen an die Oberfläche. Zum einen schränkt das die „Freiwilligkeit“ noch weiter ein, da ein Eingriff durch den Menschen notwendig ist, das Wasser also nicht völlig auf natürlichem Weg zutage tritt; zum anderen verwenden Sie den Begriff „Quelle“, um die Herkunft des Wassers zu bezeichnen. Stammt es nun aus einem Brunnen oder einer Quelle?
Abgesehen von der genauen Bedeutung des Wortes „freiwillig“: Da mir „reifes Wasser“ nicht genügend definiert erscheint, lassen Sie mich fragen: Ist diese Freiwilligkeit des Wassers eine notwendige Voraussetzung für „reifes Wasser“? Oder gar eine ausreichende? Ebenso umgekehrt, ist also die Freiwilligkeit die Folge der Reife oder die Reife Folge der Freiwilligkeit?
Im Allgemeinen spricht man bei Eigenschaften nicht davon, dass sie aufgenommen und gespeichert werden; diese Verben beziehen sich eher auf Information. Daher meine Frage: Verändert das Wasser Ihrer Ansicht nach tatsächlich seine Eigenschaften? Im Sinne von: Verändern die Wassermoleküle ihre Qualität, ohne sich chemisch zu verändern und damit aufzuhören, Wasser zu sein? Ihre Worte scheinen mir dies anzudeuten, vorstellen kann ich mir das jedoch nur schwer.

Sie schreiben:
Eine wichtige Aufgabe von Wasser ist auch, den Körper von Schadstoffen frei zu spülen und Ablagerungen heraus zu transportieren. Diese Aufgabe kann Wasser am besten erfüllen, wenn es wenige Mineralien enthält. Lebensfreude WASSER zeichnet sich durch einen geringen Anteil an gelösten Mineralien (130 TDS) aus. Es ist insbesondere sehr natriumarm
Meine Fragen:
Wäre mit Ihrer Argumentation diesbezüglich nicht destilliertes Wasser zu empfehlen?
Wie hoch ist der Natriumanteil genau?
Die Formulierung „Anteil an gelösten Mineralien (130 TDS)“ scheint mir erklärungswürdig. Da ich kein Chemiker bin, lassen Sie mich bitte meine Interpretation darstellen, mit der Bitte um Korrektur, sollte ich mich irren. TDS steht für „total dissolved solids“, ist also inhaltsidentisch mit „Anteil an gelösten Mineralien“. Das würde bedeuten, dass der Wert 130 ohne Maßeinheit angegeben wird. Es entspricht in etwa einer Aussage wie „das Gewicht dieses Objektes beträgt 130“, ohne zu sagen, ob sich diese Zahl auf Gramm, Kilogramm, Pfund, Zentner, metrische Tonnen, Unzen oder sonst eine Maßeinheit bezieht. Technisch gesehen würde Ihre Aussage, immer unter der Voraussetzung, dass ich mich nicht irre, frei von jedem Inhalt sein. Meine Frage nun: obwohl ich davon ausgehe, dass Sie vermutlich 130 mg/Liter meinen, wäre von einem Vertreiber von Mineralwasser nicht zu erwarten, dass so ein Fehler vermieden werden kann? Und ist, so es denn ein Fehler sein mag, dies (ähnlich wie die gegebenenfalls stattgefundene Verwechslung von „Quelle“ und „Brunnen“) nicht ausreichend Grund, an der Seriosität beziehungsweise der Fachkenntnis eines Anbieters zu zweifeln?

Sie schreiben weiter:
Die dem Wasser aufgeprägten Informationen des am Quellort befindlichen Rotationsschwingungsmusters bestimmen die Qualität des Wassers. Spricht man von rechtsdrehendem Wasser, so ist gemeint, dass das Wasser energetisierend, belebend und kräftigend wirkt. Lebensfreude WASSER ist ein rechtszirkulierendes Wasser
Meine Fragen:
Was ist ein Rotationsschwingungsmuster?
Da eine Suche mit Google.de auf lediglich zwei Nennungen dieses Begriffes stieß, kann ich nicht davon ausgehen, dass man dieses Wort als allgemein üblich betrachten kann, und deswegen besteht eine erhöhte Notwendigkeit, klar darzustellen, was das Wort in Ihren Augen besagt. (Um auf einen Vergleichswert zu kommen habe ich, ohne auf die Tastatur zu blicken, einige zufällige Buchstabenkombinationen in Google eingegeben, um die Anzahl der gefundenen Ergebnisse mit der für Rotationsschwingungsmuster zu vergleichen. Die kleinste Anzahl von Treffern erzielte ich bei „djjzj“ mit 485, die höchsten befanden sich im fünfstelligen Bereich.) Sollte dieses Wort keine allgemein gültige Definition haben, muss ich auch diese Aussage leider als inhaltslos betrachten.
Im übrigen würde mich interessieren, welche Information das Wasser genau tragen soll und durch welchen Mechanismus sich diese Information auswirken kann. Selbst wenn das Wasser eine Information trägt, was ich offen gesagt bezweifle, aber um der Argumentation willen hier als gegeben annehme, wie wirkt sie sich aus? Ich kann zum Beispiel in die Butterschicht eines Butterbrotes Worte ritzen, somit eindeutig nachweisbare Information darauf übertragen, ohne dass ich deswegen davon ausgehen muss, dass der Nährwert oder sonstige biologische Auswirkungen davon betroffen sind und verändert werden. Täte ich dies, so würde ich an Magie glauben, was ich Ihnen nicht unterstellen kann, da Sie ja eindeutig versuchen, messbare Belege anzuführen, die dadurch definitionsgemäß im wissenschaftlichen Bereich liegen.
Besonders reizen würde es mich, zu erfahren, mit welcher Methode sich rechtszirkulierendes Wasser von linkszirkulierendem unterscheiden lässt; sind Ihnen irgendwelche Versuche bekannt, in denen es gelungen ist, verblindet, kontrolliert und replizierbar diese Wasserqualitäten zu unterscheiden?

Sie schreiben:
Dr. Diethard Stenzl, Villach / Austria, hat in einer mehrwöchigen Studie mit Probanden festgestellt, dass das Lebensfreude WASSER eine Vielzahl unterschiedlicher Schwingungsfrequenzen aufweist, die harmonisierend und ausgleichend auf genau die Körperbereiche (Paul Schmid: Steuerplan des menschlichen Körpers) wirken, die über die gleichen Schwingungsfrequenzen verfügen. Das Lebensfreude WASSER reagierte auf 181 von 200 verwendeten Frequenzwerten im Bereich von 0,5 bis 100 Hertz. Es hat damit ein sehr breites Wirkungsspektrum, das das Wohlbefinden steigern und eventuelle Befindlichkeitsstörungen reduzieren, oder sogar beheben kann
Meine Fragen:
Da ich die beiden genannten Personen nicht eindeutig identifizieren kann, können Sie mir bestätigen, dass es sich um Dr. Diethard Stelzl (mit einem l statt n geschrieben) und Paul Schmidt (mit dt) handelt?
Dass im weiteren der Doktortitel des Herrn Stelzl für Ökonomie und nicht in einem naturwissenschaftlichen Fach vergeben wurde? Dass es sich um den Paul Schmidt handelt, der Gründer der Firma Rayonex war, die radiästhesische Messwerkzeuge vertreibt?
Ist dies der Fall, kann ich davon ausgehen, dass die genannte Studie mit radiästhesischen Untersuchungsmethoden durchgeführt wurde, die meines Wissens noch über keinen Beleg für ihre Validität verfügen, und deswegen allgemein den pseudowissenschaftlichen Untersuchungsmethoden zugerechnet werden? Handelt es sich bei der Studie um einen Doppelblindversuch?
Zudem würde mich interessieren, welche Schwingungsfrequenzen benutzt wurden, wobei ich vermute, dass man sich von 0,5 Hertz ausgehend in 0,5er-Schritten bis 100 Hertz hochgearbeitet hat. Lässt sich dies bestätigen? Und vor allem: Können Sie mir Vergleichswerte für andere Wasser nennen? Denn selbst wenn die vorgenommenen Untersuchungen mit validen Methoden durchgeführt wurden, so ist aus Ihren Angaben noch kein Schluss auf besondere Qualitäten Ihres Wassers möglich, solange man nicht weiß, welche Ergebnisse andere Wasser erzielen.

Daraufhin schreiben Sie:
Die Hamburger Ärztin Dr. med. Sonja Reitz stellt in einem Body-Mind-Soul® kinesiologischen Gutachten fest, dass das Lebensfreude WASSER seine besondere Wirksamkeit im Bereich der Regeneration hat.
Meine Fragen hierzu lauten:
Da Sie Frau Reitz mit ihrem medizinischen Doktortitel nennen implizieren Sie, dass ihre Untersuchung in ihrer Funktion als Medizinerin durchgeführt wurde. Da das kinesiologische Verfahren nicht im Bereich der Schulmedizin angesiedelt ist, für die dieser Doktortitel vergeben wurde, sehen Sie nicht die Gefahr, dass Ihr Text fehlinterpretiert werden könnte als eine Bestätigung der Wirkung ihres Wassers aus schulmedizinischer Sicht? Die Tatsache, dass jemand einen Doktortitel auf irgendeinem Gebiet hat, besagt ja noch nicht, dass jede seiner Aussagen dem Konsens des jeweiligen Fachgebiets entspricht.
Und würden Sie nicht auch sagen, dass die Tatsache, dass Frau Dr. Reitz in der Liste der Publikationen auf ihrer Website u.a. Zeitschriften wie „Madame“, „Freundin“ oder „Verde“ (die Kundenzeitschrift der Drogeriekette Budnikowski) aufführt noch besonders in Frage stellt, ob sie medizinische, also wissenschaftliche, Aussagen trifft? Wenn sie als Medizinerin spricht, sollte man da nicht eher eine Beschränkung auf medizinische Fachartikel erwarten? Wäre es dann nicht weniger irreführend, auf die Nennung des Doktortitels zu verzichten, da man nicht davon ausgehen kann, dass sie hier in ihrer Eigenschaft als Doktor der Medizin agiert? (Schließlich verzichten Sie bei Herrn Stelzl auch auf die Angabe, welchen Doktortitel er innehat; wobei in diesem Fall Ihnen klar sein sollte, dass oberflächliches Lesen Ihres Textes bei den meisten Menschen die Vorstellung auslösen könnte, er wäre Mediziner.)

Gegen Ende Ihrer Beschreibung kommt:
Einem derart wertvollen Naturprodukt gebührt höchste Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Sorgfalt und schonende Behandlung sind daher notwendig, um Frische, Natürlichkeit und ursprüngliche Strukturen zu bewahren. Daher wird das Lebensfreude WASSER rein mechanisch, ohne jeglichen künstlichen Druck, von Hand verarbeitet. Elektrisch betriebene Apparate und Gerätschaften finden bei der Abfüllung von Lebensfreude WASSER keinerlei Anwendung. Aufbereitungsverfahren oder Zusätze sind entbehrlich. Natürlicher kann ein Wasser kaum sein
Meine Fragen:
Inwiefern ist es der Wasserqualität zuträglich, wenn die von Ihnen beschriebenen Vorgehensweisen eingehalten werden? Gibt es überhaupt eine Möglichkeit, zu messen und festzustellen, ob ein Wasser per Hand abgefüllt wurde? Wenn ja, welche? Entsprechendes würde ich gerne für die Verwendung elektrischer Apparate wissen.
Und was ist in der Praxis der Unterschied zwischen natürlichem und künstlichen Druck? Genauer gesagt, inwiefern sollte sich künstlich erzeugter Druck auf Wasser anders auswirken als natürlicher? Das ist vor allem unter dem Aspekt, dass Wasser aus einem artesischen Brunnen (wie das Ihrige) in der Natur unter einem gewaltigen Druck steht, eine wichtige Frage.
Außerdem: Welche natürlichen Strukturen werden bewahrt? Soweit ich weiß bildet flüssiges Wasser zwar Strukturen im molekularen Bereich, aber deren Lebensdauer ist im Bereich von Picosekunden angesiedelt. Sollte es Ihnen möglich sein, einen Nachweis für einen Bestand dieser Strukturen über einen Zeitraum von der Abfüllung Ihres Wassers bis zum Verbrauch zu liefern, so wäre das ein gewaltiger wissenschaftlicher Durchbruch. Und damit sehr im Interesse der Öffentlichkeit, wenn Sie ihn präsentieren würden. Existiert eine derartige Publikation schon?

Ich hoffe auf Ihre baldige Antwort, um meine Fragen beantwortet zu bekommen. Im Übrigen möchte ich darauf aufmerksam machen, dass ich mein Schreiben an Sie als offenen Brief betrachte, und jede Antwort Ihrerseits, solange Sie dem nicht ausdrücklich widersprechen, als zur Veröffentlichung freigegeben.

Mit bestem Dank im Voraus für Ihre, in Anbetracht der Menge meiner Fragen bestimmt nicht unerheblicher, Mühen

Herbert Hartmann


Dies ist das Ende meiner Mail an „Lebensfreude Messen“. Sollte ich eine Antwort erhalten, werde ich sie unverzüglich hier veröffentlichen. Bis dahin jedoch möchte ich jeden Leser bitten, falls er sich aufgrund meiner Fragen ein Urteil gebildet hat, dieses aus Gründen der Fairness als vorläufig zu betrachten. Denn als strenger Verfechter der wissenschaftlichen Methode würde ich nie vollständig ausschließen, dass ich mich irre. Werden meine erwähnten Kritikpunkte nicht aus der Welt geschafft, weil die Antwort ausweichend und unbefriedigend ist, so muss ich aber selber davon ausgehen, dass man meiner Meinung nichts entgegensetzen kann. Was natürlich auch folgt, wenn nach einer angemessenen Zeit keinerlei Antwort kommt. Irgendwann darf man „keine Antwort ist auch eine Antwort“ sagen...

Mittwoch, 7. April 2010

Einführende Worte

Weiter unten sind zwei Artikel, die ich bereits vor einiger Zeit schrieb, aber ich bringe sie hier erneut, einfach um diesen Blog in Gang zu bringen. Den starte ich, weil ich die Notwendigkeit sehe, der Esoterik und Pseudowissenschaft entgegenzutreten. Ich werde mit Sicherheit da nicht viel bewirken können...aber vielleicht irgendwo ein kleines Bißchen. Wenn ein oder zwei Leute, die noch am schwanken sind zwischen dem Rationalen und dem Irrationalem hier einen Stoß in die richtige Richtung bekommen, dann ist mein Ziel schon erfüllt.
Und als nächstes poste ich das, was mich überhaupt erst auf die Idee brachte, diese Aufgabe in Angriff zu nehmen. Oft werde ich hier wahrscheinlich nicht etwas Neues bringen können. Die Recherche für diesen nächsten Post kostete mich die ganzen Osterfeiertage, und so viel Zeit, wie ich möchte, kann ich hier gar nicht investieren und gleichzeitig meinen Lebensunterhalt verdienen. Hoffentlich kann ich mangelnde Quantität mit Qualität ausgleichen, ich will mich bemühen. Also, schaut ruhig öfter mal rein, auch wenn eine Weile nichts neues kam...ich bin noch da!

Watchmen und Wahrscheinlichkeiten


Bevor ich zu dem komme, was ich zu sagen habe, muss ich klarstellen, dass ich „Watchmen“ für ein gutes Comic halte. Fast alles, was an einem Comic gelingen kann, das gelingt hier. Aber es wurmt mich schon ein wenig, dass es so gehypt wird, als ob es ein makelloses Meisterwerk wäre. Meisterwerk mag sein, aber makellos noch lange nicht; und ich weiß auch nicht, ob man das von einem Meisterwerk erwarten oder gar verlangen sollte: Denn gerade im Makel, in der Differenz zur Perfektion, zeigt sich doch die Person, die dahintersteht. Und so lässt sich vielleicht Kunst gar nicht ohne Makel denken.

Im Grunde habe ich zwei Dinge an „Watchmen“ auszusetzen. Beides schon am Comic, aber auf den Film lässt sich meine Kritik ebenso anwenden. Das eine, und da bin ich nicht der erste, der das erwähnt, ist der Plan des Antagonisten, welcher die Handlung in Gang bringt. Der ist Klischee pur. Ich habe keine Ahnung, wie oft ich auf diese Idee schon gestoßen bin, man kann zumindest Alan Moore zugute halten, dass er das bekannteste Beispiel dafür, die OUTER LIMITS-Episode „Architects of Fear“ im letzten Kapitel des Buches zitiert und zu der Unoriginalität der Idee an sich steht. Wobei mich selber diese Klischeehaftigkeit noch am wenigsten stört, denn wenn Alan Moore etwas kann, dann altvertraute Muster verwenden und die in ein neues Licht rücken, und auch hier gelingt es ihm.

Nein, was ich wirklich störend finde, das ist ein Loch im Plot, das nicht nur klischeehaft, sondern sogar kitschig gestopft ist; und, schlimmer noch in meinen Augen, so dass es sich nach einer ausgemacht esoterischen Botschaft anhört.

Ich rede von dem Ende des langen Dialogs zwischen Dr. Manhattan und Silk Spectre auf dem Mars. Dr. Manhattan bezeichnet Silk Spectres Geburt als „thermodynamisches Wunder“, und so wie ich den Begriff in diesem Kontext auffasse meint er: ein Ereignis, welches, auch ohne ein Naturgesetz zu verletzen, im Rahmen dieser Gesetze so unwahrscheinlich ist, dass sein Eintreffen de facto mit einem Wunder gleichzusetzen wäre.

Dr. Manhattan, der schon in seinem früheren Dasein als Dr. Osterman offenbar ein Physiker mit hoher Qualifikation war, und dessen Einsicht in das Universum nun nach seiner Transformation in einen Übermenschen so groß ist, dass er in die Zukunft blicken kann, sich und andere teleportieren, Materie schaffen und verändern...dieser Dr. Manhattan hat anscheinend nicht die geringste Einsicht in die grundliegenden Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung!

Wie hoch ist denn nun die Wahrscheinlichkeit, dass im Watchmen-Universum Silk Spectre geboren wurde? Vielleicht sollte jeder meiner Leser mal überlegen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass all seine Vorfahren sich so trafen und fortpflanzten, wie sie es taten; dass über alle Generationen hinweg bei jedem Zeugungsakt immer gerade diese von Millionen Spermazellen auf diese Eizelle traf, und ebenso sich immer diese potentiellen Vorfahren trafen, um sich weiter fortzupflanzen.

Die Lösung dieser Frage lautet: Die Wahrscheinlichkeit beträgt 100%! Etwas weniger unwahrscheinliches ist nicht denkbar. Der Leser existiert, also ist es nicht nur wahrscheinlich, sondern unabdingbar, dass all diese Prozesse zu seiner Existenz geführt haben. Ebensolches gilt für Silk Spectre.

Was weder Moore noch Manhattan bedenken: Ein Ereignis kann nur vor seinem Eintreten eine niedrige Wahrscheinlichkeit haben; und wenn es eine hohe Zahl von sich ausschließenden Möglichkeiten gibt, die alle eine geringe Wahrscheinlichkeit des Eintretens haben, sich die Summe aber auf 100% addiert, so muss eines davon eintreten, und es ist völlig bedeutungslos, welches. Man denke an die Ziehung der Lottozahlen. Mag sein, dass sich jemand darüber erstaunt, dass die 6 von ihm angekreuzten Zahlen gezogen werden; aber wundert sich irgendwer darüber, dass irgendeine Gruppe von 6 Zahlen gezogen wird? Wenn genügend Menschen Lotto spielen würden, und jeder eine andere Kombination wählt, so dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, einer muss gewinnen. Und tut dies mit einer Zahlenkombination, die vor der Ziehung genau so unwahrscheinlich zum Erfolg führen würde, wie die Zahlen jedes beliebigen anderen Teilnehmers. Im Moment der Ziehung verringern sich die vielen kleinen Chancen der Verlierer auf Null, ca 14 Millionen 1:14 000 000-Chancen verschwinden, aber irgendwo muss die Wahrscheinlichkeit ja bleiben; beim Sieger, bei dem sich diese 14 000 000 winzigen Chancen auf 100% sicher ansammeln. Vorher war die Chance, dass einer gewinnt 100%, nach der Ziehung ist die Chance, dass einer gewonnen hat 100%.

Auf das Argument im Watchmen-Comic bezogen: Die Existenz einer Person ist kein unwahrscheinlicher Zufall, nachdem sie begann, zu existieren. Und so einmalig jeder Mensch auch sein mag, daran ist nicht besonderes, gerade weil jeder Mensch so ist. Gäbe es die einmalige Person Herbert nicht, weil irgendein anderes Spermium etwas schneller an einer Eizelle angekommen wäre, gäbe es dafür eine andere, genau so einmalige Person. Wirklich unwahrscheinlich wäre es nur, wenn eine bestimmte, vorhergesagte Person so zustande käme; wenn also zum Beispiel unabhängig voneinander zwei absolut gleiche Individuen entstünden. Wenn man vorher wüsste, welche Lottozahlen gezogen werden.

Und warum stört es mich so, wenn einem Menschen alleine aufgrund seiner Einmaligkeit so ein besonderer Wert beigemessen wird? Weil ich da keinen Wert sehe. Das Argument besagt ja, dass jeder Einmalig ist. Gleich einmalig. Hat dann jeder den gleichen Wert? Oder nicht vielmehr plötzlich überhaupt keinen, weil er seinen Wert nicht mehr aus sich selbst, seinen Gedanken, Entscheidungen und Handlungen zu ziehen braucht? Wie so vieles im esoterischen Gedankengut zielt mir das alles zu sehr darauf ab, dem einzelnen Menschen einerseits zu sagen, dass er wichtig genug ist, dass das gesamte Universum geradezu auf seine Existenz zuarbeitete, und andererseits bietet man die Möglichkeit, keinerlei Verantwortung übernehmen zu müssen: „Ich bin nun mal so, ich kann nicht anders, und größere Mächte haben bestimmt, dass ich so zu sein habe!“

Ob diese Mächte nun Schicksal, Gott, Karma, universelle Ordnung genannt werden, egal: Diese Ausrede hält nur von der Selbstreflektion, dem dazulernen, dem Erkennen der Realität ab. Und dem Universum sind wir alle piepschnurzegal. Wir leben auf einem Planeten, der größer ist, als wir uns es wirklich vorstellen können; in einem Sonnensystem, im Vergleich zu dem unser Planet ein Zwerg ist; umgeben von 100 Milliarden solcher Sonnen in der Milchstraße, die eine von wiederum 100 Milliarden Galaxien im sichtbaren Universum ist. Und wenn sich da tatsächlich jemand einbildet, dass er für das Universum von Bedeutung ist, dann kann die Realität mit seinem Ego wohl kaum mithalten...

What the #$*! Do We Believe!?

Wahrscheinlich ist es nicht für jedermann leicht zu erkennen, worauf diese Überschrift anspielt: „What the #$*! Do We (K)now!?“, einen der un-aussprechlichsten Filmtitel aller Zeiten. Er gehört zu einem Film, der in mir den Eindruck erweckte, dass wohl jeder, der ihn sieht, eine eindeutige Meinung darüber bekommen wird. Allerdings nicht jeder die gleiche.
Schließlich geht es darin um äußerst brisante Themen, wobei die Interpretation der Quantenmechanik eine immer wiederkehrende Hauptrolle spielt. Für mich war die alleinige Erwähnung des Begriffs „Wissen“ schon eine Herausforderung, mir Gedanken darüber zu machen, was die Filmemacher wohl glauben. Da der Film aus einer Unzahl von Versatzstücken besteht, die man alle einzeln betrachten könnte, um sie zu analysieren, möchte ich ein längeres und vermutlich besonders markantes, in sich abgeschlossenes Stückchen herausgreifen. Folgende Erzählung, im Film mit nachgestellten und spezialeffekte-aufgepeppten Aufnahmen illustriert:

„Hier ist eine, meiner Ansicht nach wahre, Geschichte über die Eingeborenen der Karibischen Inseln: Als sie die Schiffe von Kolumbus heransegeln sahen, sie konnten sie nicht sehen, weil sie so etwas noch nie gesehen hatten. Sie konnten sie einfach nicht sehen.
Als Kolumbus an Madras (bei diesem Wort bin ich mir auch nach mehrfachen Anhören nicht sicher, ob ich es hier richtig wiedergebe) in der Karibik landete, war keiner der Eingeborenen in der Lage, die Schiffe zu sehen, obwohl sie auf dem Horizont existierten. Der Grund, warum sie die Schiffe nicht sahen, war, dass sie im Gehirn kein Wissen, keine Erfahrung hatten, dass Klipper existierten.
Der Schamane bemerkte Wellen draußen im Meer. Aber er sah kein Schiff. Er begann, sich Gedanken zu machen, was den Effekt verursachte. Er ging jeden Tag raus und schaute. Nach einer Weile konnte er die Schiffe sehen. Nachdem er die Schiffe sehen konnte, erzählte er allen, dass da draußen Schiffe existierten. Und weil ihm alle vertrauten und glaubten, sahen sie sie dann auch.“


Jetzt ist die Frage: Glauben wir, vertrauen wir dieser Geschichte? Zunächst sollte das für jeden offen bleiben. Die Filmemacher scheinen das Ganze jedenfalls zu akzeptieren, denn zu einer irgendwie gearteten kritischen Äußerung kommt es von ihrer Seite nicht. Vom Leser meiner Zeilen und vom Betrachter dieses Filmes kann ich es allerdings nicht wissen. Glaubt er es oder glaubt er es nicht? Und wie steht es mit mir? Ich frage mich: Muss ich mich denn hier zwischen Glauben und Nichtglauben entscheiden? Oder liefert mir die Geschichte genug Material, um zu überprüfen, ob sie wahr ist? So dass mir die Entscheidung aus der Hand genommen wird, ich sie entweder glauben muß, oder nicht glauben kann.
Zunächst einmal: Könnte die Geschichte wahr sein? Das ist so ähnlich wie die Frage, könnte der Weihnachtsmann existieren? Klar könnte er. Mit leichten Einschränkungen. Sollte der Weihnachtsmann existieren, so müssten eine ganze Reihe von bisher als anerkannt geltenden Fakten als falsch eingestuft werden. Nicht zuletzt, dass Rentiere nicht fliegen können. Das wäre akzeptabel. Denn vielleicht können sie ja fliegen und sind nur in Gegenwart von Zuschauern zu schüchtern dazu. Ich behaupte nur: Wenn jemand an den Weihnachtsmann glaubt, und gleichzeitig nicht glaubt, dass Huftiere zu nichtballistischen Bewegungen aus eigener Kraft im freien Luftraum fähig sind, dann stimmt etwas mit seiner Weltanschauung nicht. Wer an den Weihnachtsmann glauben will, muss sich erstmal fragen: Bin ich bereit, meine Vorstellung der Rentiermobilität diesem Glauben anzupassen? Er täte es besser, denn sonst ergibt sich ein Widerspruch, und etwas zu glauben, das sich widerspricht...nun, damit läge man wohl falsch.
Wer diese Geschichte glaubt, muss bereit sein, alle ihrer Voraussetzungen zu glauben. Und jeden Widerspruch vermeiden, indem er diese akzeptiert. Und ich rede nicht von Widersprüchen wie „Als sie die Schiffe von Kolumbus heransegeln sahen, sie konnten sie nicht sehen...“ (Häh...?!), das sind nur Stilblüten. Legen wir mal los:
Als erstes fiel mir auf, dass auf mysteriöse Weise ein Schamane seinen Weg auf die Insel gefunden hatte. Wie denn das? Die Story beruht geradezu auf der Grundlage, dass die Inselbewohner nie zuvor Kontakt mit Europäern hatten, auch wenn das nicht explizit erwähnt wird. Denn wie sonst, als mit Schiffen größerer Bauart wären diese wohl dort angekommen? Schamanismus entspringt dem nordeurasischen Kulturkreis, nicht der Karibik. Ist das nur eine kleine Fehlformulierung? Sogar ich wäre geneigt, es als solche durchgehen zu lassen. Aber näher betrachtet ist dies die Entsprechung dazu, einen katholischen Priester „Rabbi“ zu nennen, und den Papst „Ayatollah“; dies würden die meisten Menschen selbst in einer beiläufigen Erwähnung doch als ordentlichen Fauxpas empfinden. Zumindest wirft dieser kleine Fehler schon mal die Frage auf: Wie gründlich wurde hier denn wohl recherchiert, bevor diese Geschichte das Gütesiegel des Tatsachenberichtes verabreicht bekam? Wie glaubwürdig erschiene der seriöseste Nachrichtensprecher, wenn er die neueste Meldung über Ayatollah Benedict XVI vorträgt?
Ich möchte auch darauf aufmerksam machen, dass für diese Geschichte nicht der geringste Beleg angeführt wird. Überlegen wir uns doch mal, wie diese Erzählung zustande gekommen sein muß, sollte sie wahr sein: Kolumbus liegt vor Anker; ein Eingeborener bemerkt nach einigen Tagen die Schiffe, aber eben erst nach einigen Tagen. Wenn nicht entweder der Eingeborene erfährt, dass die Schiffe bereits da waren, bevor er sie sah, oder Kolumbus mitgeteilt bekommt, dass seine Schiffe erst lange nach ihrem Erscheinen wahrgenommen wurden, haben wir keine Geschichte. Wie soll einer von beiden den jeweiligen ergänzenden Umstand erfahren haben? Auch hier ist wichtig: Basis der ganzen Erzählung ist, dass zwei Kulturen aufeinander trafen, die vorher keinerlei Kontakt hatten. Sollen diese Kulturen es geschafft haben, innerhalb weniger Tage, von mir aus sogar einiger Wochen, solange die Details aller Ereignisse noch frisch im Gedächtnis der Beteiligten sind, zu lernen, so exakt und genau miteinander zu kommunizieren, dass eine zuverlässige Basis für eine solche Überlieferung besteht?
Kommen wir also zum Horizont. Kolumbus landete, aber seine Schiffe waren am Horizont, von der Insel aus gesehen? Das erscheint mir als eine sehr eigenwillige Interpretation des Begriffs „landete“. Aber, ich gestehe es zu, das mag nicht mehr als eine weitere unglückliche Formulierung sein. Kolumbus wartete anscheinend tagelang in Sichtweite der Insel in Ruhe ab, nachdem er und seine Mannschaft wohl wochenlang auf See unterwegs waren. Kein Landgang, kein Frischwasserreserven auffüllen, keine Suche nach frischem Obst oder einem leckeren Braten. Durchaus möglich. Aber wenn Kolumbus, der ja einen Ruf als Entdeckernatur zu verteidigen hat, hier gemütlich abwartete, dann möchte ich wirklich wissen, warum? Ohne eine Erklärung dafür ist diese Geschichte zumindest so unvollständig, dass man sich fragen muss, welche Details da wohl noch untergegangen sind.
Und noch etwas zum Horizont: Wenn die Schiffe so weit von der Insel entfernt waren, dann muss der „Schamane“ schon verdammt gute Augen gehabt haben, um die von ihnen verursachten Wellen zu erblicken. Getrost kann man sagen: bessere Augen, als je irgendein Mensch sie nachweisen konnte. Selbst bei hohem Wellengang sieht der Horizont wie eine absolut gerade Linie aus. Und überhaupt: Wieso sollten ihm Wellen auf dem Meer so sehr auffallen, dass sie ihn tagelang beschäftigen? Wellen auf dem Meer sind nun wahrlich kein so ausgefallenes Phänomen. Oder will uns hier jemand weiß machen, dass die Eingeborenen bis zu diesem Augenblick aus irgendeinem anderen Grund nicht in der Lage waren, Wellen wahrzunehmen?
Und wenn man einen Klipper nicht sehen kann, weil man noch nie vorher einen Klipper gesehen hat, wäre es da nicht auch sinnvoll, anzunehmen, dass man die Wellen, die ein Klipper hervorruft, nicht sehen kann, wenn man noch nie vorher Wellen sah, die ein Klipper hervorgerufen hat? Nach welchen Regeln funktioniert das, was gesehen werden kann und was nicht?
Ist dieser behauptete Effekt eigentlich in sich schlüssig? Wenn wir davon ausgehen, dass er es ist, dann dürfte doch kein Mensch jemals irgendetwas sehen. Denn alles, was man sieht, sieht man ja irgendwann das erste Mal. Oder ist hier gemeint, dass das nur für Dinge gilt, die in ihrer Art völlig ungewohnt sind? Aber wo ist da die Grenze zu sehen? In der Regel ist eine schlichte Veränderung der Größe nichts, was eine wirkliche Neuartigkeit ausmacht. Kannten die Eingeborenen überhaupt keine Schiffe und Boote? Würde ein Fußball mit einem Durchmesser von 10 Metern für einen Bundesligafan unsichtbar? Und wie ist es hiermit: Schiffe bestanden damals aus Holzbalken. Selbst wenn jemand noch kein Schiff gesehen hat, müsste er dann nicht die einzelnen Balken sehen? Und wenn ein Matrose über die Reeling blickt, das Schiff aber nicht wahrgenommen werden kann, würde man dann nicht den frei schwebenden Oberkörper des Mannes sehen, was an sich schon ein recht auffälliger Anblick sein sollte? Wenn eine Möwe von links hinter dem Schiff vorbeifliegt, wird sie dann für den Betrachter unsichtbar, bis sie rechts davon wieder auftaucht? Entweder verschwindet sie währenddessen (wieder nicht besonders unauffällig), oder sie bleibt weiterhin sichtbar. Letzteres würde aber bedeuten, dass nicht nur das Schiff nicht wahrgenommen wird, sondern dass in der Tat ein Eingeborener durch es hindurch sehen können müsste!
Eigentlich sollte man für all diese Fragen eine Erklärung auf Lager haben, die man gewillt ist, ebenso zu glauben, wenn man die Geschichte für wahr hält. Das sind alles fliegende Rentiere dieser Erzählung. Und nur die offensichtlichsten, die mir in wenigen Minuten eingefallen sind. Meine schweren Geschütze kommen erst noch.
Denn ich frage mich auch: Wenn ein Gehirn nicht in der Lage ist, etwas unbekanntes wahrzunehmen, Bekanntes jedoch schon; wie entscheidet es denn, was bekannt ist und was nicht? Es kann diese Einstufung erst treffen, nachdem eine Wahrnehmung erfolgte. Würde man erst das sehen können, das man zuvor als bekannt identifiziert hat, dann könnte ich die Schrift, die gerade auf dem Bildschirm des Computers erscheint, während ich tippe, nicht sehen. Anders als durch sehen ist sie nicht wahrnehmbar, also wäre mein Gehirn nicht fähig, sie als sichtbar einzustufen, um sie daraufhin in meine Wahrnehmung gelangen zu lassen.
Zudem ist der Gedanke einigermaßen absurd, dass etwas unsichtbar wird, weil es unbekannt ist: Das Gegenteil ist der Fall. Das menschliche Gehirn (und überhaupt das Gehirn eines jeden höher entwickelten Tieres) ist darauf geeicht, auf Unbekanntes besonders heftig zu reagieren. Jahrmillionen der Evolution haben es so eingerichtet: Alles unbekannte ist zunächst mal eine potentielle, und gelegentlich auch reale, Gefahrenquelle. Lebewesen, die Unbekanntes besonders schnell und effizient wahrnehmen, haben einen deutlichen Evolutionsvorteil, so dass sich diese Fähigkeit weit ausbreitete und die dazugehörige Wahrnehmung immer mehr geschärft wurde.
Man stelle sich vor, man besucht zum ersten Mal einen Bekannten zuhause. Mag sein, dass er eine Katze hat, die gerade auf dem Sofa liegt. Man würde sie wahrscheinlich bemerken. Glaubt im Ernst irgendjemand wirklich, dass ihm am gleichen Ort ein Nacktmulch weniger auffallen würde, nur weil er zu den Glücklichen gehört, die noch nie zuvor einen Nacktmulch gesehen haben?
Diese gesamte Sequenz aus „What the #$*! Do We (K)now!?“ widerspricht jeder Alltagserfahrung, sie ist in sich unschlüssig, wirft Berge von ungeklärten Fragen auf, und vom Wissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen gibt sie auch keinen Sinn. Warum sollte man sie also glauben?
Die Lösung dieser Frage findet sich auch in dem Anfangs zitierten Text. „Hier ist eine, meiner Ansicht nach wahre, Geschichte über...“. Das ist alles. Darum soll man das glauben: Weil jemand anderes es für wahr hält. Nicht denken, einfach glauben. Kritiklos übernehmen, was jemand anderes einem erzählt. Egal, wie weit es hergeholt ist; egal, wie schlecht es begründet ist; egal, wie konfus und widersprüchlich es sich bei näherer Betrachtung erweist.
Nähere Betrachtung, das bedeutet Skepsis. Skepsis ist nicht, wie die meisten meinen, eine ablehnende Haltung an sich...der Begriff bedeutet nichts als: Etwas gründlich und prüfend betrachten, bevor man sich seine Meinung dazu bildet (der Wortstamm findet sich auch in Begriffen wie Teleskop, Mikroskop, Periskop usw.). Und als Skeptiker plädiere ich auch keineswegs dafür, nichts zu glauben; aber wenn man schon etwas glauben will, dann soll man es doch bitte nicht blind glauben! Je gründlicher man das hinterfragt, was es zu glauben gilt, je mehr und härtere Prüfung es standhält, desto besseren Gewissens und mit begründeterer Überzeugung kann man es glauben.
Anscheinend lässt sich aber so gut wie alles gut glauben, wenn man das skeptische Denken unterlässt und es glauben möchte. Was mag die Motivation sein, dieser Geschichte Glauben zu schenken und sie weiter zu verbreiten? Das kann ich nicht definitiv wissen, da ich nicht in die Köpfe anderer Menschen blicken und ihre Gedanken lesen kann. Und im Übrigen es auch nicht für wahrscheinlich halte, dass irgendjemand dazu in der Lage ist. Nichtsdestotrotz habe ich eine Vorstellung dazu auf Lager.
Die Geschichte handelt in erster Linie von einem Mann, dem „Schamanen“, der durch seine besondere und überwiegend intuitive Erkenntnisfähigkeit Wahrheiten erkennt, von denen seine Mitmenschen nichts ahnen; denen fehlt einfach die Möglichkeit, solches auch nur wahrzunehmen, weil sie sich weigern, einen neuen Gedanken zuzulassen; erst als sie ihm blind vertrauend sich auf seine Sichtweise einlassen, sind sie selbst in der Lage, für sie bisher Unvorstellbares zu akzeptieren.
Kein Wunder, wenn ein Esoteriker so eine Erzählung gerne glaubt und sie gerne wiedergibt: In diesem Bereich gilt es geradezu als Frevel, die Worte eines „inspirierten“ Führers in Frage zu stellen, welcher Dinge erzählt, die völlig weit hergeholt erscheinen und die der Erfahrung widersprechen. Das Ganze ist ein Gleichnis, in dem der Erzähler für den „Schamanen“ steht, und der Zuhörer für die restlichen Inselbewohner, die „noch nicht so weit sind“ selbst in eine Welt jenseits der Alltäglichen zu blicken. Diese Mär vom Meer hat als Moral: Wenn jemand mit Autorität eine Behauptung aufstellt, so glaube sie. Er spricht die Wahrheit. Und so schließt sich dann der Kreis, denn auch diese Geschichte selbst kann man eben nur dann glauben, wenn man ohne zu hinterfragen glaubt, Denn ist nicht gerade ihre Unglaublichkeit der Beleg, dass der Erzähler eine große Autorität sein muss? Denn er hat sich anscheinend so sehr in die Materie vertieft, dass er von Dingen überzeugt sein kann, die weit über den Horizont des Durchschnittsbürgers hinausgehen...